100 Millionen Euro für Radikalumbau
Wenn alle Anträge genehmigt werden, soll der Neubau am Klinikum in Bad Hersfeld auf der Fläche in der Bildmitte entstehen, auf der sich jetzt noch der Hubschrauber-Landeplatz befindet. Fotos: Klinikum Hersfeld-Rotenburg, Sebastian Schaffner/Archiv
Hersfeld-Rotenburg – Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration unterstützt grundsätzlich das Klinikum Hersfeld-Rotenburg bei seinem geplanten Radikalumbau. Das hat der kommunale Klinikverbund nach monatelangen Gesprächen Anfang der Woche verkündet. Dazu Fragen und Antworten im Überblick.
Radikalumbau am Klinikum – was heißt das eigentlich?
In der öffentlichen Diskussion ging es in den vergangenen Monaten vor allem darum, dass die akutmedizinischen Abteilungen des kommunalen Klinikverbundes in den nächsten Jahren ans Klinikum Bad Hersfeld verlagert werden sollen. Dazu gehört auch das Rotenburger Herz-Kreislauf-Zentrum (HKZ) und die Orthopädie. Zudem sollen das alte Bettenhaus Mitte sowie die Notaufnahme und die Liegendkrankenanfahrt am Klinikum saniert werden sowie ein ambulantes Zentrum entstehen.
Nachdem das Ministerium dem Klinikum mitgeteilt hat, die Pläne grundsätzlich mitzutragen – wird dann jetzt das viel diskutierte Curacon-Gutachten veröffentlicht?
Nein. Das hat zumindest Geschäftsführer Rolf Weigel auf Nachfrage unserer Zeitung noch einmal klargemacht. Landrat Dr. Michael Koch (CDU) hatte schon im September gesagt, dass das Gutachten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei. An dieser Haltung habe sich nichts geändert, so Weigel. Unter anderem hatte die Liste UBL/Bürger-Herz die Veröffentlichung gefordert. Was genau in dem Papier steht, wissen offiziell ohnehin nur die Geschäftsführer, der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon selbst, die das Gutachten für das Klinikum im vergangenen Jahr erstellt hat. Eine inhaltliche Zusammenfassung haben Ende September auch die Mitglieder des Kreistags sowie Bürgermeister und Landtagsabgeordneten erhalten – sie mussten jedoch eine Verschwiegenheitserklärung abgeben.
Was wird der Umbau des kommunalen Klinikverbunds kosten?
„Wir rechnen mit einem Gesamtinvestitionsbedarf in Höhe von rund 100 Millionen Euro“, sagt Klinikum-Geschäftsführer Rolf Weigel. Wie viel Geld einzelne Projekte, etwa der geplante Neubau am Klinikum, in dem auch die Akutmedizin des HKZ unterkommen soll, kosten werden, stehe noch nicht fest. „Dafür ist es noch zu früh“, sagt Weigel.
Wo kommt das Geld dafür her?
Rund ein Drittel der Gesamtsumme – 30 Millionen Euro – soll mit bereits bestehenden Geldzusagen aus der Vergangenheit finanziert werden. Den Rest will das Klinikum mithilfe von Fördermitteln von Bund und Land bezahlen. Zugesagt sind diese Hilfen aber noch nicht. In einem Schreiben des Gesundheitsministeriums an die Klinikum-Geschäftsführung, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass die geplanten Sanierungsmaßnahmen „voraussichtlich geeignet“ seien, die Strukturen in der Krankenhausversorgung im Einzugsgebiet des Klinikums Hersfeld-Rotenburg dauerhaft zu verbessern. Und weiter: „Nun liegt es an Ihnen zu entscheiden, ob Sie auf Grundlage des von Ihnen in Auftrag gegebenen Sanierungsgutachtens einen Förderantrag nach dem Krankenhausstrukturfonds II stellen.“ Erst dann könne die gewünschte Förderfähigkeit geprüft werden.
Kritiker werfen der Geschäftsführung des Klinik-Konzerns vor, sie verwende jetzt Fördermittel für den Standort Bad Hersfeld, die vor Jahren bereits für den Standort Rotenburg zusagt waren, aber noch nicht genutzt worden sind. Was sagt das Klinikum dazu?
„Das ist nicht richtig“, sagt Rolf Weigel. Insgesamt gehe es um rund 30 Millionen Euro Altförderungen. „Es gab hier im Haus einmal die Planungen, die ursprünglich für die Sanierung des Bettenhauses Mitte zugesagten 20 Millionen Euro Fördergeld nach Rotenburg zu transferieren. Dieser Vertrag ist aber nie ratifiziert worden“, sagt Weigel. Aus heutiger Sicht sei es ein „Glücksfall“, da das Geld noch vorhanden sei. „Hätten wir das Geld damals in Rotenburg investiert, hätte das aber nichts an der betriebswirtschaftlichen Situation des HKZ geändert“, betont Dr. Tobias Hermann, medizinischer Geschäftsführer des Klinikums. „Der Standort HKZ in Rotenburg wäre so oder so nicht zu halten gewesen.“ Ohnehin habe das Klinikum seit der Übernahme des HKZ bis heute rund zehn Millionen Euro am Standort Rotenburg investiert. „Allein in diesem Jahr kommt noch einmal eine Million hinzu“, sagt Weigel. Die restlichen zehn Millionen Euro der Altförderungen seien für die Verlagerung der Orthopädie ans Klinikum bestimmt gewesen.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Die inhaltliche Planung des Neubaus soll bis Ende des ersten Halbjahres abgeschlossen sein, sagt Dr. Tobias Hermann. Auch noch in diesem Jahr rechnet die Geschäftsführung mit dem Bauantrag und dem Förderantrag. „Die Bauaktivität könnte dann 2022 beginnen“, sagt Weigel. Fertig sein soll alles in den Jahren 2024/2025. Dann würde auch die Akutmedizin des HKZ ans Klinikum angedockt werden. Weitere Umstrukturierungen seien bereits in Gang gesetzt worden, etwa die Vernetzung der medizinischen Prozesse.
Wo soll der Neubau entstehen?
Im nördlichen Bereich des Klinikum-Geländes, also dort, wo sich jetzt der Hubschrauber-Landeplatz befindet. Details zum Neubau wollen die Geschäftsführer noch nicht preisgeben. Sie sagen lediglich, dass der Neubau einen Haupteingang bekommen und der Landeplatz auf das Dach verlegt werden soll. Zudem sollen durch die Verlagerung des HKZ zwei weitere OPs und unter anderem eine Bettenstation entstehen.
Wie viele Arbeitsplätze wird die Umstrukturierung kosten?
„Eine Beschäftigungsgarantie trauen wir uns jetzt noch nicht auszusprechen“, sagt Weigel. „Wir wollen aber die Masse der Arbeitsplätze erhalten.“ Kündigungen dürften nur das letzte Mittel sein. Von den momentan rund 3000 Mitarbeitern des kommunalen Klinikverbundes gehen laut Weigel bis zum Jahr 2025 rund 300 Beschäftigte in den Ruhestand, also zehn Prozent der Gesamtbelegschaft.
Was sagt der Betriebsrat?
Ausführlich will sich die Sprecherin des HKZ-Betriebsrats, Martina Reinki, auf Nachfrage unserer Zeitung noch nicht zu den neuen Nachrichten aus dem Sozialministerium äußern. Noch habe sie keine Gelegenheit gehabt, mit den Mitarbeitern darüber zu sprechen, auch seien diese Informationen durch entsprechende schriftliche Bestätigung noch nicht belegt, so Reinki. Die erneuten Informationen aus der Presse bewirkten bei den „Mitarbeitern keine Verminderung der seit Langem bestehenden Ungewissheit und Unzufriedenheit in Bezug auf die jetzige Lage“. Sie berichtet, dass im HKZ die „Abwanderungstendenzen der Mitarbeiter aktuell außerordentlich hoch“ sei. Der Betriebsrat selbst hoffe, „dass der Betrieb im HKZ bis zur Umsetzung aller beabsichtigten Maßnahmen aufrecht erhalten werden kann“.
Die Grünen hatten im Kreistag gefordert, dass bei den Neustrukturierungen am Klinikum ein Fokus auf Nachhaltigkeit in der Bauweise und Energienutzung gelegt werden soll. Wie hat das Parlament abgestimmt?
Es ist dem Antrag der Grünen mit großer Mehrheit gefolgt. Demnach sollen bei den Neu- und Umbauten „nicht nur die bestehenden gesetzlichen Regelungen eingehalten werden, sondern im Sinne des Klimaschutzes und zur Senkung der Betriebskosten diese Standards übertroffen werden.“ Zudem soll der Kreisausschuss prüfen, ob es für ein „nachhaltig umgebautes Krankenhaus als Vorreiterprojekt“ Fördergeld gibt. Rotenburgs Bürgermeister Christian Grunwald (CDU) wies darauf hin, dass es dabei nicht ausschließlich um das Klinikum in Bad Hersfeld gehen dürfe, sondern auch um den HKZ-Standort Rotenburg. Quelle: Hersfelder Zeitung, Sebastian Schaffner
Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 25.02.2021