Das Zusammenspiel von Psyche und Körper

In der Kunsttherapie entstanden: Der Leuchtturm symbolisiert die Orientierungslosigkeit, im Heißluftballon hat die Patientin laut ihrer Aussage all ihre Glaubenssätze aufgenommen, die sie in der Therapie wiederentdeckt hat. FOTOS: KLINIKUM AM HAINBERG

Annika H., so soll die junge Frau in unserer Patientengeschichte heißen, verlässt im November 2023 die akutpschosomatische Klinik am Standort Klinik am Hainberg. Dort hat sie insgesamt sieben Wochen verbracht. Den Kontakt dahin hatte sie im Spätsommer gesucht, nachdem bei ihr die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose diagnostiziert worden war.„Durch für mich neue körperliche Symptome habe ich Ängste entwickelt, fühlte ich mich nicht mehr richtig geerdet. Alles war plötzlich durcheinander, ich hatte keine Kontrolle über die Dinge mehr“, erinnert sich Annika heute.
Von der Akutpsychosomatik am Standort Klinik am Hainberg hatte Annika durch Bekannte bereits gehört. Nach ihrem stationären Aufenthalt im Klinikum Bad Hersfeld, bei dem es nach umfangreicher Diagnostik zu den Diagnosen MS und Depression mit Ängsten kam, vereinbart sie ein telefonisches Vorgespräch, um herauszufinden, ob die Ziele und Behandlungswege der Klinik für sie passen.

Das Gefühl, gut aufgehoben zu sein
„Ich hatte unmittelbar das Gefühl, dort gut aufgehoben zu sein. Mein Ziel war es ja, meine neue gesundheitliche Situation besser zu akzeptieren und einen neuen Umgang damit für mich zu finden“, so Annika. Für sie war es der erste Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik. „Entsprechend aufgeregt und nervös war ich gegenüber der gesamten Behandlung“, erinnert sie sich.
In ihrer ersten Woche vor Ort hat Annika Zeit, sich in ihrem Einzelzimmer einzurichten und Haus und Team der Klinik kennenzulernen. Erst für die zweite Wochenhälfte stehen die ersten Therapiesitzungen auf ihrem Therapieplan. Darunter finden sich beispielsweise Atemtherapie, Gruppensitzungen und auch Kunsttherapie. „Ich habe mir ganz bewusst vorgenommen, für die verschiedenen Therapieformen offen zu sein und mir selbst alle Möglichkeiten zu geben, das anzunehmen, was das Team mir gegeben hat“, beschreibt Annika ihr Ankommen in der Klinik.
In der dritten Woche, so sagt sie retrospektiv, habe sie sich schließlich angekommen gefühlt und konnte bereits besser in sich hineinhören sowie ihre Themen aktiv in den Sitzungen ansprechen. Darunter fiel auch die eigene Arbeit in der Kunsttherapie. Zwei ihrer Bilder stellen für Annika besonders persönliche Werke dar: ein Leuchtturm und ein Heißluftballon.

Selbst wieder zum Leuchtturm werden
„Der Leuchtturm symbolisiert für mich die Orientierungslosigkeit, in die ich seit der Diagnosestellung gefallen war. Mein Partner war für mich schon immer eine Person, die ich als Leuchtturm in meinem Leben gesehen habe. Ich wollte aber auch selbst wieder zum Leuchtturm für mich werden. Damit habe ich auch mein Ziel viel genauer erkannt: Wenn ich die Klinik verlasse, will ich selbst wieder mein Halt im Leben sein“, so Annika. „Im Heißluftballon habe ich alle meine mich tragenden Glaubenssätze aufgenommen, die ich in der Therapie wiederentdeckt habe.“

Belastungen bewältigen
Die Orientierungslosigkeit und der fehlende Halt, den Annika nach der Diagnose MS empfindet, kennt die Chefärztin der Klinik Dr. Kathrin Zittlau als ein Thema, das in der Krankheitsverarbeitung vieler Menschen eine große Rolle spielt.
Die Bewältigung der körperlichen und psychischen Belastungen, die voranschreitende chronische Erkrankungen auslösen, ist ein über lange Zeiträume anhaltender Prozess, der Phasen hat und bei dem komplexe psychosomatische Anpassungsvorgänge stattfinden. Details dazu können Interessierte im Buch „Die Krankheitsbewältigung unterstützen“ (Schattauer Verlag, 2019) nachlesen.
Annika hat in den insgesamt sieben Wochen ihrer Therapie mehr und mehr gespürt, wie sie den Boden unter ihren Beinen zurückgewinnt: „Ich bin heute viel sortierter und fühle mich angekommen“. Auf die Frage, was sie anderen Betroffenen rate, antwortet die 35-Jährige, dass es wichtig sei, als Patient den Prozess anzuerkennen, keine „Heilung über Nacht“ zu erwarten sowie sich den Therapieansätzen zu öffnen und herauszufinden, was einem bei der Verarbeitung oder im Umgang mit Einschränkungen helfen kann.
„Durch die Multiple Sklerose habe ich von heute auf morgen einen Kontrollverlust über meinen Körper erlitten, teilweise bis hin zur Bewusstlosigkeit. Das hat mich wirklich aus der Bahn geworfen“, berichtet Annika. Hier habe sie von Woche zu Woche mehr gelernt, auf sich selbst zu achten, Leistungsgrenzen zu wahren und ihren Körper neu wahrzunehmen.
Das Team der Klinik konnte in den Gesprächen und Sitzungen mit Annika besonders Stress als einen Faktor diagnostizieren, der die Symptome verstärkt. „Annika hat sich selbst immer wieder über ihre Grenzen hinaus gefordert und sich stellenweise auch zu viel zugemutet. Uns war es deshalb wichtig, dass sie wieder ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper und ihren Grenzen kennenlernt“, so Dr. Zittlau.
„Außerdem weiß man in der Medizin sehr gut vom Zusammenhang zwischen der Qualität des individuellen Stressmanagements und dem weiteren Verlauf chronischer Prozesse im Körper.“ Dazu wird auch die medikamentöse Therapie bei psychosomatischen Behandlungen weiter verfolgt beziehungsweise angepasst.

An erreichte Erfolge anknüpfen
Zukünftig möchte Annika eine ambulante Therapie machen, um an die hier erreichten Erfolge anzuknüpfen und ihren neu eingeschlagenen Weg des Umgangs mit sich selbst weiterhin zu gehen. Die akutpsychosomatische Klinik am Standort Klinik am Hainberg behält sie in guter Erinnerung und macht anderen Betroffenen Mut: „Wer vielleicht eine ähnliche Situation wie ich erlebt, dem empfehle ich auf jeden Fall, eine Therapie zu machen und sich die Zeit zu nehmen, sich selbst und seine Ziele neu zu definieren oder vielleicht auch erst einmal wieder zu erkennen. Die Atmosphäre in der akutpsychosomatischen Klinik stellt einen hilfreichen Rahmen für die Behandlung und das tolle Team vor Ort ist für diese Themen genau der richtige Ansprechpartner.“

 

Uns war es deshalb wichtig, dass sie wieder ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper und ihren Grenzen kennenlernt.
Dr. med. Kathrin Zittlau, Chefärztin

 

 

Kontakt
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Klinikum Bad Hersfeld
Standort Klinik am Hainberg
Ludwig-Braun-Straße 32
36251 Bad Hersfeld
Tel. 06621 / 173271
Mail: psychosomatik@klinikum-hef.de