Generationenwechsel in der Klinik am Hainberg
Das Gesicht der Klinik am Hainberg, Joachim Lindner, verlässt zum 30. Juni 2020 nach über 25 Jahren die renommierte Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Bad Hersfeld. Seine Nachfolgerin: die Chefärztin der Rehabilitationsklinik, Andrea Budde.
„Meine Arbeit hier am Hainberg ist getan. Ich habe viele Projekte verwirklichen und auf den Weg bringen können. Ich fühle, dass es Zeit ist für mich, zu gehen und dieses Haus in die Hände der nächsten Generation zu geben, damit neue Impulse gesetzt werden können“, so die wohltuenden Worte von Joachim Lindner zu seinem Abschied von der Klinik am Hainberg. Seit 1994 arbeitete Lindner in der Klinik in einer leitenden Position, in den letzten 20 Jahren als Chefarzt und Ärztlicher Direktor. In dieser Zeit hat er das Geschehen und die Ausrichtung der Klinik maßgeblich geprägt und neben gesellschaftlichem Wandel, Veränderungen in der Krankenhaus- und Rehastruktur vor allem auch die Übernahme durch das Klinikum Bad Hersfeld in 2006 miterlebt: „Die Übernahme durch das Klinikum sehe ich persönlich […] als einen strategischen Erfolg meinerseits, da es in diesen Jahren nahezu ein Trend war, dass viele Krankenhäuser und Kliniken deutschlandweit privatisiert wurden. Das entsprach nicht der Grundhaltung des Hauses.“ Die Klinik am Hainberg sei schon immer stark eingebettet in das Geschehen und die Struktur der Stadt Bad Hersfeld und des Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Durch die Übernahme in eine kommunale Trägerschaft durch das Klinikum bliebe diese Situation bestehen. Das habe laut Lindner auch den besonderen „Geist“ der Klinik am Hainberg erhalten: „Mir war es stets ein großes Anliegen, die gelebte Ein-Klassen-Philosophie beizubehalten und Kommunikation und Beziehungsgestaltung als wichtigste Instrumente der Führung und Behandlung zu sehen, sodass Patienten und Mitarbeiter sich auf Augenhöhe begegnen. Nur wenn unsere Mitarbeiter in einer Kultur der Wertschätzung leben, in der sie Probleme lösungsorientiert angehen und Konflikte konstruktiv bewältigen können, sind sie in der Lage, dies an die Patienten weiterzugeben.“
Lindners Nachfolgerin Andrea Budde hatte in den vergangen Jahren bereits Zeit, sich an ihre neuen Aufgaben zu gewöhnen. Die Wahl-Eiterfelderin ist seit 2004 für die Klinik am Hainberg tätig. „Frau Budde ist seit vielen Jahren fester Bestandteil des Leitungsteams und in den vergangenen beiden Jahren haben wir uns gemeinsam viel Zeit für einen gleitenden Übergang genommen. Sie kennt die Prozesse im Haus und hat ein gutes Gespür für die Mitarbeiter und die Patienten, “ so Lindner. Die neue Ärztliche Direktorin selbst sieht das Potenzial in der Klinik und den Mitarbeitern genauso wie die Herausforderungen der kommenden Jahre: Vor allem die Corona Krise und ihre Auswirkungen würden sicherlich das weitere Geschehen maßgeblich beeinflussen. Dazu zählt Budde vor allem die psychosozialen Herausforderungen durch Lock-Downs, Quarantänen und der existenziellen Angst vor einer nur schwierig einschätzbaren Gefahr. „Außerdem haben wir gemerkt, dass unser Haus auch weiterhin einen Digitalisierungsbedarf hat.“ Ein Projekt, welches die 55-Jährige in den nächsten Jahren näher ins Auge fassen wird. „Zunächst ist für uns jedoch sowohl die Belegung als auch die Personalbesetzung in der Krisensituation ein wichtiges Thema. Außerdem ist es mir ein persönliches Anliegen, die allgemeine personelle Entwicklung positiv zu beeinflussen und durch ein motiviertes Team aus langjährig erfahrenem und jungem Personal zukunftsfähig zu bleiben.“ Die Corona-Krise sei für sie schon die erste Herausforderung in dem Übergang zu ihrer neuen Position gewesen. „Diese Offenheit für Überraschungen werde ich mir sicherlich zum Motto machen.“
So ganz verlassen möchte Joachim Lindner das Klinikum Hersfeld-Rotenburg jedoch nicht. In einer reduzierten Stelle wird er den übergeordneten Konzern in einer Phase der strategischen und organisatorischen Neuorientierung begleiten, die beispielsweise durch den medizinischen Fortschritt, sinkende Fallzahlen, Fachkräftemangel oder auch die Auswirkungen der Corona-Krise notwendig geworden seien. Die freie Zeit möchte er jedoch auch für weitere Rundreisen in der Welt gemeinsam mit seiner Frau nutzen. „Gerne gebe ich die Leitung der Klinik in die Hände von Frau Budde. Ich wünsche ihr alles Gute und auch den Mut, hier eigene Spuren zu hinterlassen.“
Zur Person
Andrea Budde, 55, ist seit nunmehr 16 Jahren in der Klinik am Hainberg tätig. Als Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie ist die gebürtige Sauerländerin unter den Kolleg*innen geschätzt und bereits seit vielen Jahren im Leitungsteam integriert. Budde lebt seit 2000 im Raum Eiterfeld. Ihr Mann und ihre beiden Töchter, die sich beide aktuell im Studium befinden, unterstützen sie und ihre Entscheidung für die Leitung der Klinik am Hainberg. Privat unternimmt Andrea Budde gerne Aktivitäten in der Natur, engagiert sich aktiv in der Kirchengemeinde und schwingt hobbymäßig das Tanzbein für die Tanzfreunde Fulda.
Zur Person
Joachim Lindner, 66, arbeitet seit 26 Jahren in der Klinik am Hainberg, davon 20 Jahre als Chefarzt und Ärztlicher Direktor. Er ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie und Spezielle Schmerztherapie und seit Übernahme durch das Klinikum Bad Hersfeld in 2006 auch in übergreifenden Gremien aktiv, zuletzt als Sprecher des Medizinischen Beirats des Konzerns. Lindner ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn und eine erwachsene Tochter, die dem Vorbild der Eltern gefolgt sind und Jura und Psychologie studiert haben. Er dankt vor allem seiner Familie für die Unterstützung der vergangenen Jahre und das liebevolle Ertragen der einen oder anderen Überstunde. Die gewonnene Zeit würde er gerne verstärkt mit der Familie und mit Reisen verbringen.
Die Klinik am Hainberg
Nahezu seit ihrer Gründung in 1977 gehört die psychosomatisch-psychotherapeutische Fach- und Rehaklink zu den renommiertesten Einrichtungen in ganz Deutschland. Seit 2013 hat sich am Standort zusätzlich eine Akutklinik für Psychosomatik und Psychotherapie etabliert. Die Klinik am Hainberg ist fachlich führend im Bereich eines bio-psycho-sozialen Krankheits- und Gesundheitsmodells. „Dahinter steckt ein ganzheitlicher Ansatz, der die körperlichen Beschwerden eines Patienten im Zusammenhang mit seinen persönlichen Beziehungen, seinem sozialen Umfeld und seiner Psyche betrachtet. Es geht also vor allem um Wechselwirkungen zwischen diesen verschiedenen Faktoren“, erklärt Joachim Lindner. In den vergangenen Jahren hat das Leitungsteam immer wieder aktuelle gesellschaftliche Themen wie den demographischen Wandel oder Veränderungen in der Arbeitswelt aufgegriffen. Lindners Nachfolgerin Andrea Budde engagiert sich aktuell im Rahmen der sogenannten MBOR-Studie: „MBOR steht für medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation und fokussiert im Rahmen der Therapie vor allem die berufliche Reintegration nach längerer Arbeitsunfähigkeit und bei besonderen beruflichen Problemlagen. Das Spektrum reicht hier von Problemen mit der Arbeitszeit wie Nachtschicht bis hin zu der permanenten Angst, arbeitslos zu werden“, weiß Budde. Damit sieht sich die traditionsreiche Klinik, die Bewährtes stets mit Modernem zu verknüpfen sucht, auf einem weiteren Schritt in Richtung zukunftsfähige Therapien und Strukturen.
Zeit für einen neuen Anfang
Das Gesicht der Klinik am Hainberg, Joachim Lindner, verlässt zum 30. Juni 2020 nach über 25 Jahren die renommierte Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Bad Hersfeld. Seine Nachfolgerin Andrea Budde ist bereits seit vielen Jahren im Leitungsteam involviert. Gemeinsam haben die beiden mit uns über ihre nächsten Ziele, Herausforderungen für die Klink am Hainberg und auch persönliche Momente gesprochen.
Herr Lindner, ein Vierteljahrhundert lang haben Sie das Geschehen und die Ausrichtung der Klinik am Hainberg maßgeblich geprägt. Wie sieht der obligatorische Rückblick aus?
Rückblickend lässt sich denke ich vor allem sagen, dass die Klinik am Hainberg trotz vieler Veränderungen und äußerer Einflüsse einerseits ihrer Linie und ihrem Geist treu geblieben ist, sich andererseits stets innovativ weiterentwickelt hat. Mir war es ein großes Anliegen, die gelebte Ein-Klassen-Philosophie beizubehalten und Kommunikation und Beziehungsgestaltung als wichtigste Instrumente der Führung und Behandlung zu sehen. Das bedeutet strukturell, dass es keine Privatpatientenzimmer oder exklusive Chefarztbehandlungen gibt. Patienten und Mitarbeiter begegnen sich hier auf Augenhöhe. Dabei war mir vor allem eine offene Kommunikationskultur wichtig, in der jeder frei darin ist, Probleme anzusprechen. Letztendlich muss man sagen, dass wir in diesem Punkt auch eine Vorbildfunktion für die uns anvertrauten Patienten haben. Nur wenn unsere Mitarbeiter in einer Kultur der Wertschätzung leben, in der sie Probleme lösungsorientiert angehen und Konflikte konstruktiv bewältigen können, sind sie in der Lage, dies an die Patienten weiterzugeben.
Wenn Sie von Veränderungen reden, sehen Sie da primär auch die Übernahme durch das Klinikum Bad Hersfeld?
2006 war sicherlich ein solches Jahr, das von Veränderung geprägt war. Die Übernahme durch das Klinikum sehe ich persönlich auch als einen Erfolg meinerseits, da es in diesen Jahren nahezu ein Trend war, dass viele Krankenhäuser und Kliniken deutschlandweit privatisiert wurden. Das entsprach nicht unserer Haltung, die darauf ausgerichtet ist, einen Beitrag für die heimische Region zu leisten. Die Klinik am Hainberg war schon immer stark eingebettet in das Geschehen und die Struktur der Stadt Bad Hersfeld sowie des Landkreises Hersfeld-Rotenburg. Durch die Übernahme in eine kommunale Trägerschaft durch das Klinikum blieb diese Zielsetzung bestehen. Und das hat meiner Meinung nach auch den besonderen Geist des Hauses erhalten.
Schleicht sich nun ein wenig Wehmut ein in die Tatsache, Abstand von diesem „Geist“ zu nehmen und die weiteren Geschicke in andere Hände zu geben?
Meine Arbeit hier am Hainberg ist getan. Ich habe viele Projekte verwirklichen und auf den Weg bringen können. Ich fühle, dass es Zeit ist für mich, zu gehen und dieses Haus in die Hände der nächsten Generation zu geben, damit neue Impulse gesetzt werden können. Frau Budde ist seit vielen Jahren fester Bestandteil des Leitungsteams und in den vergangenen beiden Jahren haben wir uns gemeinsam viel Zeit für einen gleitenden Übergang genommen. Sie kennt die Prozesse im Haus und hat ein gutes Gespür für die Mitarbeiter und die Patienten. Ich selbst werde den einen oder anderen meiner Wegbegleiter und unsere Teamarbeit in der Klinik natürlich sehr vermissen, freue mich aber auch auf neue Herausforderungen.
In der Tat ist es so, dass Sie dem Klinikum auch weiterhin erhalten bleiben. Wie kann man sich Ihre neue Funktion vorstellen?
Das ist richtig. Das Klinikum Hersfeld-Rotenburg, der übergeordnete Konzern sozusagen, befindet sich in einer Phase der strategischen und organisatorischen Neuorientierung. Als ein paar Gründe seien hier nur beispielsweise der medizinische Fortschritt, sinkende Fallzahlen, Fachkräftemangel und auch die Auswirkungen der Corona-Krise genannt. Während der vergangen Jahre habe ich eine Weiterbildung in Organisationsentwicklung und Coaching zum sogenannten „Change Manager“ gemacht, also einer Person, die Strukturoptimierungen oder Veränderungsprozesse in Unternehmen begleitet. Ich freue mich sehr auf die neue, sicherlich spannende Aufgabe und bin dankbar, dass ich mein Erfahrungswissen noch einbringen darf.
Die wohlverdiente Rente rückt somit also noch etwas weiter in die Ferne?
Etwas würde ich sagen, ja. Wobei ich die neue Stelle nur noch stundenreduziert antreten werde. Ich möchte die gewonnene Zeit gerne für meine Familie nutzen, um z. B. gemeinsam mit meiner Frau noch die ein oder andere längere Rundreise durch die Welt zu unternehmen.
Frau Budde, das Motto der Klinik am Hainberg lautet „Zeit für einen neuen Anfang“, sehen auch Sie sich nun an vor so einem neuen Anfang?
Ja dem würde ich zustimmen. Der Wechsel stellt für mich, aber auch für die Mitarbeiter und das ganze Haus einen Neuanfang dar. Für mich ist es eine neue Rolle, für die Mitarbeiter bin ich eine neue, wenn auch bereits bekannte Person.
Herr Lindner hat angedeutet, dass Sie sich in den vergangen beiden Jahren bereits Zeit für den Übergang genommen und Schritt für Schritt mehr Verantwortung übernommen haben. Was werden Sie sich aus dieser Zeit besonders mitnehmen?
Ich glaube es ist eine Offenheit für Überraschungen. Die Übergabe in diesem Jahr hatten wir beispielweise anders geplant, sicherlich etwas ruhiger. Dann kam das Corona Virus und hat uns gemeinsam vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Zu einer ersten Überraschung kam es also sozusagen schon. Gleichzeitig bin ich dankbar für die Erfahrung, dass meine persönliche Entwicklung mit den Herausforderungen Schritt gehalten hat. Ich denke es ist wichtig, sich die Offenheit auch weiter beizubehalten, denn was zunächst als Störung daher kommt, kann auch als Chance zur Weiterentwicklung begriffen werden.
Sehen Sie da gezielt weitere Herausforderungen auf Sie und die Klinik am Hainberg zukommen?
Die Corona Krise und ihre Auswirkungen werden sicherlich in den nächsten Jahren das Geschehen maßgeblich beeinflussen. Nicht nur dadurch, dass wir bei uns einen weiteren Digitalisierungsbedarf festgestellt haben. Lock-Downs, Quarantänen und Angst vor einer weniger gut einschätzbaren Bedrohung stellen psychosoziale Herausforderungen für den Menschen dar. Es ist zu erwarten, dass Patienten mit daraus resultierenden seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen bei uns eintreffen werden. Auch für uns ist das eine Situation, in welche wir uns zunächst einfinden müssen. Hinzu kommen durch das Corona-Virus auch wirtschaftliche Bedrohungen in vielen Bereichen, deren Auswirkungen noch nicht vollends absehbar sind.
Sehen Sie daher in der Digitalisierung auch eine Ihrer ersten Aufgaben?
Unter anderem, ja. Zunächst ist für uns jedoch die Belegung als auch die Personalbesetzung in der Krisensituation ein wichtiges Thema. Die Klinik am Hainberg hat in ihrer Geschichte unverschuldet, bedingt durch politische Entscheidungen, bereits zweimal einen starken Rückgang der Rehazahlen erlebt. Die momentane Situation bleibt dahingehend sicherlich weiterhin spannend. Außerdem ist es mir ein persönliches Anliegen, die allgemeine personelle Entwicklung positiv zu beeinflussen und durch ein motiviertes Team aus langjährig erfahrenem und jungem Personal zukunftsfähig zu bleiben. Dazu gehört auch die stetige Weiterbildung unserer Mitarbeiter.
Was wünschen Sie sich heute für Ihre persönliche Entwicklung in der Klinik am Hainberg?
Natürlich möchte ich den bisherigen Erfolg der Klinik aufrecht halten, den Standort stärken und daran anknüpfen, die Klinik in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Dank eines guten Teams bin ich zuversichtlich, dass dies gelingen kann.
Herr Lindner, gibt es von Ihrer Seite her einen Rat, den Sie Frau Budde mit auf den Weg geben möchten?
Ich wünsche ihr für den weiteren Weg den Mut, eigene Spuren zu hinterlassen.
Vielen Dank.
Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 07.07.2020