„Hängt nicht alles vom Chef ab“
Seit gut einem halben Jahr ist Prof. Dr. Ardawan Rastan nicht mehr nur Chefarzt am Herz-Kreislauf-Zentrum in Rotenburg, sondern leitet zusätzlich auch die Herzchirurgie am Marburger Universitätsklinikum. Im Interview spricht er über Job-Splitting, Fachkräftemangel und Klinik-Kooperationen.
Herr Prof. Rastan, seit Sie auch in Marburg sind, arbeiten Sie nur noch an bestimmten Tagen in Rotenburg. Warum kann die HKZ-Chirurgie den Rest der Woche auf ihren Chef verzichten?
Prof. Dr. Ardawan Rastan: In gut funktionierenden Betrieben hängt nicht alles vom Chef ab. Im HKZ habe ich mir in den letzten Jahren ein gutes Team aufgebaut, die Mitarbeiter teils selbst ausgebildet. Wenn ich nicht persönlich die Nadel und das Skalpell führen kann, so weiß ich doch, dass mein Team das genauso gut und in meinem Sinne macht.
Und wenn es im OP zu einer kritischen Situation kommt?
Rastan:Dann bin ich jederzeit erreichbar. In Zeiten von modernen Medien und VPN-Zugängen (gesicherte Internetverbindungen – Anm. d. Red.), macht das überhaupt keinen Unterschied, ob ich mir die Daten und Patientenbefunde auf dem Bildschirm in meinem Rotenburger Büro oder in Marburg anschaue. Entsprechend tauschen wir uns auch viel digital aus.
Auch wenn das HKZ und das Uniklinikum unter dem Dach des Zentrums für Cardiopulmonale Medizin (CPM) kooperieren, konkurrieren doch beide um Patienten. Wenn es um das Patientenwerben geht – für wen schlägt Ihr Herz mehr: Für Rotenburg oder Marburg?
Rastan:Weder noch. Mir geht es darum, dass wir in beiden Zentren optimale Medizin machen. Ein Beispiel: Wir hatten kürzlich einen Patienten, der für Rotenburg vorgesehen war. Weil er aber eine schwere Gerinnungsanomalie besaß, die wir ohne universitäre Logistik nicht hätten sicher überwachen können, hätten wir ihn früher in eine fremde Uniklink weiterleiten müssen.
Dank der Kooperation innerhalb des CPM haben wir ihn nun nach Marburg genommen und dort in meiner Abteilung erfolgreich operiert. Umgekehrt operieren wir bestimmte medizinische Schwerpunkte dafür im HKZ. Am Ende kommt es mir auf den Erfolg der Behandlung an. Genau deshalb schlägt mein Herz vor allem für das Konzept des CPM.
Ihr Vorgänger, Dr. Hartmut Oster, der seit 1989 die Herzchirurgie am HKZ aufgebaut und sie mehr als zwei Jahrzehnte geleitet hat, war dafür bekannt, sich sehr aktiv in der Patientengewinnung zu engagieren und stets engen Kontakt zu den ärztlichen Zuweisern gehalten zu haben. Wie gehen Sie vor?
Rastan: Diesen Kontakt pflege ich ebenfalls. Er ist elementar für unser Fach. Allerdings hat sich über die Jahrzehnte vieles geändert. Einerseits erkranken weniger Menschen an der koronaren Herzerkrankung, weil wir insgesamt gesünder leben und bessere Medikamente haben als 1989. Andererseits wurden früher viele Herzpatienten ins HKZ geschickt, weil es in Nordhessen nur in Rotenburg so eine bestens ausgestattete Kardiologie gab. Über die Jahre haben auch viele andere Kliniken Kardiologien aufgebaut. Meine Aufgabe besteht nun darin, die Patienten in Rotenburg so gut zu versorgen, dass wir auch überregional den guten Ruf behalten. Dafür ist es wichtig, engen Kontakt zu den Kliniken und Zuweisern zu halten. Und genau das tun wir im HKZ.
Wie haben sich in den vergangenen Jahren die Operationszahlen im HKZ entwickelt?
Rastan: Bundesweit gehen die Zahlen von großen Herzoperationen pro Jahr um vier Prozent zurück. Bei uns sind sie stabil. Als ich im HKZ 2012 die Chefarztstelle übernommen habe, hatten wir sogar eine leichte Zunahme, in den letzten Jahren sind die Zahlen um zwei, drei Prozent zurückgegangen. Alles in allem liegen wir derzeit auf dem Level von 2012.
Was heißt das in Zahlen?
Rastan: Wir führen pro Jahr rund 1100 Herzoperationen durch, davon sind etwa 150 bis 200 katheter-basierte Herzklappen-Eingriffe, Tendenz steigend.
Bundesweit klagen Kliniken über fehlendes Fachpersonal. Wie ist die Chirurgie am HKZ personell aufgestellt?
Rastan:Der Fachkräftemangel ist natürlich auch bei uns ein Thema. Wir haben aber erfreulicherweise im herzchirurgischen Bereich alle ärztlichen Stellen gut besetzt. In den Pflegebereichen und insbesondere in der Intensivpflege haben wir, wie alle Kliniken, stets Bedarf. Durch die Verbundstruktur mit Bad Hersfeld besitzen wir nun aber eine flexible Struktur, die auch den Mitarbeitern zugutekommt.
Ist es denn schwer, junge Mitarbeiter für Rotenburg zu begeistern?
Rastan: Natürlich wollen viele junge Menschen am liebsten in die Großstadt. Dagegen haben viele unserer Pflegekräfte ein Eigenheim. Das ist der Pluspunkt für die Region. Abgesehen davon hat das HKZ als Fachzentrum unverändert eine große Strahlkraft. Auch, weil Rotenburg jetzt mit dem CPM-Verbund punkten kann. Viele Ärzte, die grundsätzlich im HKZ arbeiten, aber gleichzeitig promovieren oder habilitieren wollen, bleiben jetzt hier, weil ich ihnen anbieten kann, in Teilzeit auch in Marburg an der Universität zu arbeiten.
Profitiert die Marburger Uniklinik denn auch vom Rotenburger HKZ?
Rastan: Definitiv. Deshalb schicke ich auch nicht nur regelmäßig Ärzte aus Marburg ins HKZ, sondern auch Kardiotechniker. Dieser Wissensaustausch ist für beide Seiten extrem befruchtend, sodass am Ende die Patienten an beiden Standorten davon profitieren.
HKZ-Direktor seit Ende 2017
Prof. Dr. Ardawan Rastan (51) wurde in Göttingen als Sohn einer Deutschen und eines persischen Herzchirurgen geboren. Er hat in Würzburg und Regensburg Medizin studiert, machte seinen Facharzt für Herzchirurgie und für Gefäßchirurgie und war Oberarzt am Herz-Zentrum in Leipzig. Seit 2012 ist Rastan Direktor am Herz-Kreislauf-Zentrum in Rotenburg und seit Ende 2017 Direktor der Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Marburg und lehrt als Professor für Herzchirurgie an der Uni Marburg. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter und wohnt in Bad Hersfeld.
Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 18.06.2018