Herz- und Kreislaufzentrum bekommt modernstes 3-D-Mapping-System
Ihr Arbeitsplatz sieht ein bisschen aus wie eine Science-Fiction-Werkstatt. Große Maschinen, jede Menge Leitungen, ein riesiger Monitor, der sich in alle Richtungen schwenken lässt; das „EPU“-Labor von Chefarzt Dr. Stefan Steiner und Oberärztin Dr. Stefanie Bergmann ist ein Eldorado für High-Tech-Fans. Hier werden Menschen buchstäblich an die Technik angeschlossen. „EPU“ steht für Elektrophysiologische Untersuchung, und was die beiden hoch spezialisierten Ärzte hier tun, ist für Normalsterbliche wirklich spektakulär. Die beiden Mediziner sorgen mit in ihrem Labor dafür, dass Herzen wieder im richtigen Takt schlagen.
„Vereinfacht erklärt besteht der Arbeitsplatz aus zwei Einheiten“, erklärt Dr. Steiner, der seinen fränkischen Akzent nicht verbergen kann. „Wir haben eine Röntgeneinheit, die in zwei Achsen arbeitet, horizontal und vertikal. Und wir haben die Kathetereinheit mit der umfangreichen Überwachungstechnik.“ Dazu kommen noch weitere Gerätschaften, zum Beispiel für die Gabe von Medikamenten. „Unser ,Tagesgeschäft’ sind Katheteruntersuchungen“, erklärt Dr. Stefanie Bergmann. „Dabei schieben wir eine Art steuerbaren Schlauch über einen Zugang in der Leiste des Patienten durch die Vene bis ins Herz. Die Kombination von Röntgentechnik, dem Bildwandler und dem 3-D-Mapping-System erlaubt eine sehr genaue Analyse und gibt die Möglichkeit, genau an der richtigen Stelle einzugreifen, um das Herz wieder in den richtigen Takt zu bringen.“ Aha. Nichts verstanden. Dr. Steiner und Dr. Bergmann lachen. Man muss ein tiefes Verständnis für physikalische Zusammenhänge haben, um zu verstehen, was im EPU-Labor überhaupt gemacht wird.
Dr. Steiner: „Zuerst muss man wissen, dass ein rhythmischer elektrischer Potenzialausgleich zwischen den Zellen und der umgebenden Flüssigkeit der Grund ist, warum unser Herz überhaupt schlägt. Bei einem gesunden Herzen gibt es einen definierten Verlauf, den die elektrischen Entladungen als Strom über den gesamten Herzmuskel beschreiben. Diesen Streckenverlauf können wir mit unserer Technik sichtbar machen und sehen so, wo es eine Störung gibt.“ Als Verständnishilfe kann man sich ein Lauflicht vorstellen. Solange jedes Licht der Kette im richtigen Takt blinkt, entsteht der Eindruck einer synchronen Bewegung. Blinkt eins der Lichter im falschen Takt, wird dieser Eindruck gestört – bildlich wäre dies eine „Herzrhythmusstörung“.
Mithilfe der bildgebenden Technik in ihrem Labor können Dr. Steiner und Dr. Bergmann also feststellen, welcher Punkt des Herzmuskels der Auslöser einer Rhythmusstörung ist. Die Kathetertechnik im Rotenburger EPU-Labor geht aber noch weiter. Eines der am häufigsten eingesetzten Verfahren nennt sich „Ablation“. Dabei wird genau der eine Punkt des Herzmuskels, der für die Rhythmusstörung verantwortlich ist, thermisch verödet. Danach kann er dem regelmäßigen Herzschlag nicht mehr „dazwischenfunken“. „Das schöne an unserem Beruf ist, das man unmittelbar heilen kann“, sagt Dr. Steiner. „Die Ablationstherapie ist sehr wirkungsvoll und einer der Schwerpunkte in unserer Abteilung.“
Das Herz- und Kreislaufzentrum misst dieser Behandlung sehr großen Wert bei. Das 3-D-Mapping, also das bildgebende Verfahren, das Voraussetzung für diese Art der Behandlung ist, wird in Kürze weiter aufgerüstet. „Damit haben wir dann das modernste 3-D-Verfahren, das überhaupt auf dem Markt verfügbar ist“, freut sich Chefarzt Dr. Steiner. Neben dem EPU-Labor sind Dr. Steiner und Dr. Bergmann auch für das Herzschrittmacher- und Defibrillator-Labor zuständig, in dem die Patienten, die diese Geräte tragen, versorgt werden. Auch hier lohnt ein Blick hinter die Kulissen. „Mittlerweile ist diese Technik so weit fortgeschritten, dass wir über das Internet kontrollieren könnten, ob an der Einstellung eines Herzschrittmachers etwas verändert werden muss“, sagt Dr. Stefanie Bergmann. Der umgekehrte Weg, also die Einstellung via Internet, ist allerdings nicht möglich – hier hat der Gesetzgeber vorgesorgt, um Manipulationen durch Dritte auszuschließen.
Bleibt die Frage, wie man überhaupt zu einer derart interdisziplinären Ausbildung zwischen Humanmedizin und High-Tech kommt. Dr. Steiner lacht: „Ich habe mir nach dem Abi tatsächlich überlegt, ob ich Medizin oder Physik studieren soll. Aber ich arbeite eben gern mit und vor allem für Menschen.“ Im EPU-Labor können der Chefarzt und seine Oberärztin beide Leidenschaften miteinander verbinden. Der Weg dahin aber war nicht einfach. „Wir sind Internisten, Kardiologen, Rhythmologen und Elektrophysiologen“, grinst Dr. Stefanie Bergmann. Die beiden Mediziner verstehen mit ihrer interdisziplinären Ausbildung also nicht nur den menschlichen Körper, sondern sind auch in der Lage, die physikalischen Ereignisse des Organismus mit der Physik der Elektrotechnik zu verbinden – die Grundvoraussetzung für eine so hochspezialisierte Medizin, wie sie im Herz- und Kreislaufzentrum Rotenburg tagtäglich eingesetzt wird.