Hilfe fürs Herz mit Hightech
Am Herz- und Kreislaufzentrum in Rotenburg soll die Elektrophysiologie gestärkt werden, ein Chefarzt wird gesucht. Dr. Stefan Steiner, Elektrophysiologe am HKZ, erklärt, warum dieses Fachgebiet bei Herzrhythmusstörungen eine immer größere Rolle spielt.
Wenn das Herz aus dem Takt gerät, kann das viele Gründe haben. Ist abgeklärt, dass die Rhythmusstörungen nicht Folge einer anderen Erkrankung sind – zum Beispiel eines „alten“ Infarkts oder einer Schilddrüsenerkrankung – kommt die Elektrophysiologie mit ihren Möglichkeiten ins Spiel.
MOBILES EKG MIT RECORDER
Da ist zum Beispiel die Patientin, die alle paar Monate bewusstlos wird. Der Grund könnte eine Herzrhythmusstörung sein, doch bis beim Arzt ein EKG gemacht werden kann, schlägt das Herz wieder normal. Für solche Fälle hat man am HKZ eine Art mobiles Mini-EKG. Ein winziger EKGRecorder wird unter die Haut geschoben und liefert dann jederzeit nach Bedarf Daten zum Herzrhythmus, die per Handynetz ins HKZ geschickt und dort beurteilt werden können. Telemedizin ist hier das Stichwort.
SCHRITTMACHER UND DEFI
In einigen Fällen hilft ein Herzschrittmacher oder ein implantierter Defibrillator (ICD), um das Herz wieder in den erforderlichen Rhythmus zu bringen. Beide werden im Rotenburger Herzzentrum in Zusammenarbeit der Elektrophysiologie mit den Chirurgen implantiert.
EPU-LABOR
Zur Diagnose in komplizierteren Fällen steht ein sogenanntes EPU-Labor zur Verfügung. Hier kommt neueste Computertechnik zum Einsatz. Der Patient wird örtlich betäubt und bekommt nur das mit, was er möchte. Über einen Zugang in der Leiste schiebt der Arzt einen Katheter, der nur etwa 2,5 Millimeter Durchmesser hat, bis zum Herzen. Auf einem großen Monitor kann er seinen Arbeitsraum vergrößert darstellen, dreidimensional abbilden und drehen. Der Stromverlauf im Herzen lässt sich in verschiedenen Farben darstellen. Das hilft dem Spezialisten, den Zellhaufen zu finden, der Ärger macht. Bei Bedarf werden zwei bewegliche Röntgengeräte eingesetzt, die Bilder von allen Seiten ermöglichen.
VERÖDUNG ODER ABLATION
Eine Fachkraft im Nebenraum hat mehrere Monitore mit allen erforderlichen Daten vor sich und unterstützt den Elektrophysiologen, gibt zum Beispiel den Impuls zum Veröden von problematischem Herzgewebe. In 90 Prozent der Fälle macht Stefan Steiner das mit Hitze, aber auch Kälte kann er einsetzen. Dieses Veröden nennt der Mediziner Ablation. Der Trick sei, dass das dadurch entstehende kleine Stück Narbengewebe die elektrischen Impulse des Herzens nicht mehr weiterleite, erklärt Steiner.
FACHGEBIET MIT ZUKUNFT
Mit den neuen Möglichkeiten der Diagnose und Therapie von Herzrhythmusstörungen hat sich auch die Sicht auf dieses Herzproblem geändert, sagt der HKZ- Elektrophysiologe. So wisse man heute, dass jede zweite Herzrhythmusstörung ihre Ursache in einer angeborenen zweiten Leitungsbahn zwischen Vorhof und Kammer habe. Dementsprechend sind viele junge Patienten betroffen. Die Zahl der Ablationen wachse, sagt Steiner. Hier eröffneten sich Möglichkeiten, die man vor zehn Jahren noch nicht hatte.
Hintergrund
Rund 150 Ablationen im EPU-Labor pro Jahr Das Herz- und Kreislaufzentrum gehört zu den 100 Zentren in Deutschland, die Elektrophysiologische Untersuchungen (EPU) anbieten. 300 solcher EPUs sind es pro Jahr. Sie dienen zunächst dazu, eine Herzrhythmusstörung festzustellen (Diagnose), zu sehen, wo sich das jeweilige Problem versteckt und nach welchem Mechanismus die Störung abläuft. Mithilfe der Verödung (Ablation) können viele Störungen im EPU- Labor auch gleich behoben werden (Therapie). Durchschnittlich zählen die 100 Häuser mit EPU 105 Ablationen im Jahr. Laut Dr. Stefan Steiner werden am HKZ mit 150 Ablationen überdurchschnittlich viele EPUs vorgenommen. In der Schrittmacher-Ambulanz zählt das Rotenburger Herzzentrum jedes Jahr 3500 Patienten.
Elektrophysiologie
Die Elektrophysiologie innerhalb der Kardiologie (Lehre vom Herzen) befasst sich mit Herzrhythmusstörungen. Wenn man eine eindeutige EKG-Diagnose hat, gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Therapie: Medikamente, Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren oder Katheterverfahren zur Verödung (Ablation). Bei einer Ablation wird mit Hochfrequenz-Strom gearbeitet. Durch die Hitzeentwicklung an der Katheterspitze oder Abkühlung auf minus 50 Grad Celsius wird gezielt Gewebe im Herzen verödet, um angeborene Rhythmusstörungen (WPWSyndrom, AV-Knoten-Tachykardien) oder auch erworbene wie Vorhofflattern oder -flimmern zu behandeln. Im Einsatz sind sogenannte dreidimensionale Mapping-Systeme (NAVX). Mit ihnen können Katheter ohne Einsatz von Röntgenstrahlen im Herzen bewegt und computergestützt elektrische Signale ausgewertet werden. (ank)