Impfzentrum in Rotenburg schließt
232 Tage hatte das Impfzentrum des Landkreises in Rotenburg geöffnet. Heute ist Schluss. Der ärztliche Leiter des Impfzentrums Dr. Bardo Kürten (Foto) und sein Team werden heute zum letzten Mal Impfwillige am Kassenhäuschen der Göbel Hotels Arena begrüßen. Alles in allem werden sie bis heute Nachmittag rund 86 000 Spritzen gegen das Coronavirus verabreicht haben. Das Impfzentrum hat heute noch von 10 bis 14 Uhr für Kurzentschlossene geöffnet. Eine Terminvereinbarung ist nicht nötig. Ab Freitag übernehmen dann die Hausärzte und Betriebsärzte die Impfungen im Kreisgebiet.
Wir brauchen weiter mobile Teams
Rotenburg – Am Tag vor dem Aus macht sich vor allem ein Gefühl unter den Mitarbeitern des Impfzentrums breit: Wehmut. Der freundliche, aber bestimmt auftretende Mann vom Sicherheitsdienst, der Arzt, der den inzwischen vor allem jugendlichen Gästen beim Aufklärungsgespräch humorvoll Mut zuspricht. Die medizinische Fachangestellte, die treffsicher die Spritze setzt. Sie alle würden gern noch länger in der Rotenburger Göbel Hotels Arena arbeiten. Doch nach 232 Tagen ist heute Nachmittag Schluss – so hat es die Landespolitik für alle 28 hessischen Zentren entschieden.
Dass die großen Hallen schon allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr betrieben werden, dafür hat Michael Gottbehüt aus dem Leitungsteam des Impfzentrums Verständnis. Dafür, dass die komplette Impf-Infrastruktur abgebaut werden soll, nicht. „Die Nachfrage hat zuletzt wieder zugenommen. Am Dienstag haben wir 250 Leute bedient. Der Bedarf ist da. Deshalb brauchen wir weiter mobile Impfteams“, sagt er. Die Entscheidungsgewalt, ob die Teams weiterhin bestehen bleiben, liegt beim Landkreis.
Das Landratsamt ließ eine Anfrage dazu vorerst unbeantwortet. Dem Vernehmen nach hat die Kassenärztliche Vereinigung signalisiert, dass die Ärzte die Impfnachfrage künftig schultern könnten. Auch die Frage, was denn nun der Betrieb des Impfzentrums gekostet hat, beantwortete das Landratsamt bis Redaktionsschluss nicht. Bei den Haushaltsberatungen im Landtag hatte sich kürzlich herausgestellt, dass ein hessisches Impfzentrum im Durchschnitt 1,7 Millionen Euro pro Monat gekostet hat.
Wenn heute die letzte Spritze gesetzt ist, bleiben noch zwölf Tage Zeit, bis das Impfzentrum komplett abgebaut sein muss. „Wir haben im Hintergrund schon angefangen“, sagt Christoph Riemann, der sich um die EDV kümmert.
Wenn wir mindestens ein Impfteam aufrechterhalten würden, wette ich, dass es bis in den Frühling hinein gut zu tun hätte.
Michael Gottbehüt
Leitung des Impfzentrums
Insgesamt haben die Mitarbeiter im Impfzentrum rund 86 000 Sprit- zen seit Anfang Februar verabreicht. Der ärztliche Leiter, Dr. Bardo Kürten, sagt, dass es dabei zu 100 Impfreaktionen gekommen sei – meist Kreislaufprobleme. „Einen Notfall hatten wir nicht.“
Auf die Frage, was man hätte besser machen müssen, fallen sofort zwei Schlagworte: Nachschub und Terminchaos. „Also wenn wir noch mal so eine Pandemie bekommen sollten, wäre es besser, wenn dann nicht das Land die Impftermine vergibt, sondern die Landkreise selbst“, sagt EDV-Experte Riemann. Das habe sich bei den sogenannten Sonderimpftagen gezeigt, die nicht über Wiesbaden organisiert worden waren, sondern von Riemann und seinen Kollegen. „Das hat tadellos funktioniert.“
Ganz anders war das vor allem zu Beginn der Impfkampagne, als Termine zentral vom Land nach Priorisierungsgruppen vergeben worden waren. „Das war teilweise chaotisch“, erinnert sich auch Michael Gottbehüt. Der größte Kritikpunkt seien aber zu Beginn die fehlenden Impfstoffe. „Was uns Herr Spahn da zeitweise alles versprochen hat, hat sich viel zu oft später als Luftnummer herausgestellt“, sagt der frühere Leiter des Pflegedienstes im Klinikum Bad Hersfeld.
Ausgelastet war das auf 1000 Termine pro Tag ausgelegte Impfzentrum nicht einmal. „Der beste Tag war im Zeitraum Mai/Juni mit 817 Impfungen“, sagt Maike Henning, die vor drei Monaten die Leitung in der Göbel Hotels Arena von Martin Ködding übernommen hat. Immerhin: Fehlender Impfstoff war zuletzt kein Problem mehr, vielmehr die sinkende Nachfrage. Das Impfzentrum hat deshalb mobile Teams quer durch den Landkreis in Dorfgemeinschaftshäuser und auf Baumarktparkplätze geschickt, um noch möglichst viele Menschen zu erreichen. Mehr als 2200 hatten das Angebot dieser „Spritztour“ angenommen. Auch im Impfzentrum selbst war nach wochenlanger Flaute kurz vor Schluss noch einmal einiges los.
„Wenn wir mindestens ein Impfteam aufrechterhalten würden, wette ich, dass es bis in den Frühling hinein gut zu tun hätte“, sagt der 67-jährige Gottbehüt, der mit dem Ende des Impfzentrums nun in den Ruhestand geht. Glücklich wirkt er am Tag davor aber nicht. Eher wehmütig. Foto,Text: Sebastian Schaffner