Jetzt muss was geschehen
Mit rund 225kg startet Thorsten Rehbein in die Adipositas-Beratung am Klinikum Bad Hersfeld. Dorthin gebracht hatten den Speditionskaufmann aus Mengshausen ein Bericht aus der Hersfelder Zeitung und sein Bluthochdruck. „Bei einer Schlauchmagen-Operation wird ein Teil des Magens entfernt, also das Organ verkleinert. In diesem Bereich sitzt auch die Produktion desjenigen Hormons, was Hunger auslöst“, so Fawzi Elmagbool, Oberarzt der Klinik für Allgemeinchirurgie und verantwortlich für den Adipositas-Therapieschwerpunkt am Klinikum.
Eigentlich sei es ihm nie so richtig schlecht gegangen, betont Thorsten Rehbein. Im Herbst 2021, nach rund einem Jahr Corona-Pandemie und deutlich weniger Aktivitäten als noch vorher, habe er sich aber einfach unwohl gefühlt. „Es haben mich auch an der Arbeit Menschen angesprochen und mich, wenn auch sehr taktvoll, gefragt, ob es mir wirklich gut gehe. Scheinbar sah ich nicht so aus“, schmunzelt er heute. Ein Bericht in der lokalen Zeitung hat ihn dann auf die Möglichkeit einer Ernährungsberatung aufmerksam gemacht: „Ich habe zu diesem Zeitpunkt rund 225kg gewogen. Da müssen wir nicht drüber reden, dass das nicht gesund ist.“ Über verschiedene Diäten hatte er bereits versucht, einige Kilogramm zu verlieren, sei aber immer wieder durch den bekannten Jojo-Effekt gescheitert. Gemeinsam mit seinem Hausarzt, der ihm zu diesem Schritt rät, meldet er sich beim Adipositas-Therapieschwerpunkt am Klinikum.In der Ernährungsberatung hat er zunächst ein Vorstellungsgespräch beim Team der Allgemeinchirurgie. „Hier sprechen wir zunächst einmal mit den Menschen und versuchen auch zu ergründen, was den aktuellen Lebensstil ausmacht und welche Hürden für eine Ernährungsveränderung vielleicht auch anstehen“, erklärt Angelina Reckling, Koordinatorin des Adipositas-Therapieschwerpunkts. Personen, die sich dann für das Multimodale Konzept des Teams entscheiden, werden etwa sechs bis zwölf Monate lang im Rahmen einer Ernährungs- und Bewegungstherapie begleitet sowie chirurgisch, psychologisch und internistisch untersucht und beraten. Das Team und der Patient gemeinsam schaffen so ein individuelles Behandlungskonzept, in dem gegebenenfalls auch der passende operative Eingriff festgelegt wird. Für Thorsten Rehbein wichtig: Er hat sich unmittelbar verstanden und gut aufgehoben gefühlt. Auch die körperlichen Beeinträchtigungen und Herausforderungen, die sein aktuelles Körpergewicht mit sich bringt, konnte er hier noch einmal anders verinnerlichen. „Ich habe also erst einmal Schritt für Schritt mit einer Ernährungsumstellung gearbeitet und konnte so alleine 40kg abnehmen. Das war unglaublich“, so Rehbein heute. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Team ihm klar die Entscheidung zum sogenannten Schlauchmagen; dazu Reckling: „Bei einem gewissen Gewicht bzw. Body-Mass-Index ist das Abnehmen rein über eine Ernährungsumstellung eigentlich kaum bis gar nicht möglich. Da sprechen wir natürlich die ganz klare Empfehlung zur Operation aus. Wichtig ist es ja auch, dem Jojo-Effekt nachhaltig entgegenzuwirken.“
Die Allgemeinchirurgie am Klinikum führt jährlich etwa 50 Magenverkleinerungen durch. Dazu gehören der sogenannte Schlauchmagen, wie im Fall von Thorsten Rehbein, oder der Magen-Bypass. Das Ergebnis der Eingriffe: Man ist schneller satt und durch den verkürzten Dünndarm wird weniger Nahrung aufgenommen. „Außerdem wird die Ausschüttung von Hormonen, die den Hunger auslösen, verändert, sodass das Sättigungsgefühl früher einsetzt und mehr Insulin ausgeschüttet wird. Das reguliert den Blutzuckerspiegel“, erklärt Elmagbool. Nach der Operation bleibt Thorsten Rehbein noch einige Tage im Krankenhaus. Vom gesamten Team fühlt er sich gut unterstützt und auf der Station wohl: „Ich hatte unmittelbar nach der Operation mit Übelkeit zu kämpfen. Das Essen wollte nicht wirklich drinbleiben. Da war es für mich ganz wichtig, so gut betreut zu werden und meine Ängste und Sorgen zu besprechen.“
Danach ging alles „ganz schnell“, wie Rehbein betont. Bis heute hat er insgesamt 123 kg abgenommen und hält dieses Gewicht nun schon einige Wochen. Weiterhin besucht er regelmäßig die Ernährungsberatung. Er sieht, dass die enge Betreuung und das gesamte Konzept der richtige Weg für ihn waren: „Die Operation ist nur ein Baustein. Ich bin heute sehr diszipliniert und esse ganz anders als vorher. Ich habe auch andere geschmackliche Vorlieben entwickelt.“ Bis es soweit war, musste der 52-Jährige jedoch lernen, sich an seinen „neuen Magen“ zu gewöhnen. „Mir war sehr oft noch übel und ich musste erst verstehen, dass das Sättigungsgefühl jetzt viel früher eintritt und, dass satt auch wirklich satt heißt. Deshalb esse ich jetzt auch öfter kleine Mahlzeiten“, ergänzt er.
Sein Arbeitgeber und die Krankenkasse haben Thorsten Rehbein während der gesamten Phase ebenfalls unterstützt. So war er im Anschluss an die Operation zunächst eine Zeit lang zu Hause und stand in engem Kontakt zu seinem Vorgesetzten über mögliche Veränderungen im Arbeitsalltag des Speditionskaufmanns.
Die Frage nach seinem neuen Lebensgefühl beantwortet der Mengshäuser mit einem breiten Grinsen: „Ich hätte das schon viel früher machen sollen. Es ist ein ganz anderes Lebensgefühl – gerade einfach in einen Laden gehen zu können und sich ein Hemd oder eine Hose von der Stange zu nehmen, die dann auch noch passt.“ Hinzu kommen neue Aktivitäten wie Radfahren oder Fitnessstudio. Auch seiner Tätigkeit als Alleinunterhalter auf Hochzeiten und Kirmessen kommt er wieder mit mehr Freude nach: „Ich war schon immer gern unter Menschen, und jetzt noch lieber.“
Oberarzt Fawzi Elmagbool Facharzt für Chirurgie,
Zuständigkeit: Adipositas-Chirurgie
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Chefarzt Dr. med. Christian Plötz Klinikum Bad Hersfeld GmbH
Seilerweg 29
36251 Bad Hersfeld Adipositas Therapieschwerpunkt
Tel. 06621 / 88-1527