Kliniksanierung: Verdi will Ende der Hängepartie
Die Gewerkschaft Verdi hat angekündigt, beim geplanten Radikalumbau des Klinikums um den Erhalt jedes einzelnen Arbeitsplatzes zu kämpfen. Das sagte die Verdi-Fachbereichssekretärin für Gesundheit, Kerstin Röhrhoff, in einem Interview mit unserer Zeitung. Vor dem Hintergrund der Unterstützung aus Wiesbaden für den angestrebten Sanierungskurs zeigt sich Röhrhoff erleichtert, dass damit die Hängepartie beendet werde. „Die Menschen im Landkreis und die Beschäftigten wollen endlich Klarheit“, sagte die Gewerkschafterin, die die Verhandlungen begleitet. Obwohl sie sich den Erhalt von HKZ und Klinikum wünschen würde, sei der von den Curacon-Gutachtern vorgeschlagene Sanierungsplan ein „gangbarer Weg“. Noch fehlten aber Details und Inhalte, so Röhrhoff.
Der geplante Radikalumbau der kommunalen Kliniken des Kreises beschäftigt seit Monaten die Politik, die Bevölkerung, aber vor allem die Beschäftigten der Kliniken. Kerstin Röhrhoff von Verdi-Osthessen begleitet für die Gewerkschaft die Verhandlungen. Über den schwierigen Sanierungsprozess sprach mit ihr Kai A. Struthoff.
Das Gesundheitsministerium unterstützt den geplanten Radikalumbau der kommunalen Kliniken im Kreis. Ist das auch aus gewerkschaftlicher Sicht eine gute Nachricht?
Ja, das ist eine gute Nachricht. Die Hängepartie, ob es nun die Zustimmung aus Wiesbaden und die nötigen Fördermittel geben wird, muss endlich aufhören. Es ist gut, wenn es jetzt Klarheit gibt – für die Menschen im Landkreis, aber vor allem für die Beschäftigten.
Sie begleiten für die Gewerkschaft Verdi die Verhandlungen. Kennen Sie eigentlich das zugrunde liegende Gutachten der Berater von Curacon?
Ich kenne das Gutachten, oder richtiger, einen Teil des Gutachtens, der, mit dem gearbeitet wird. Und ich bin froh, dass ich gemeinsam mit den Betriebsräten in einer Steuerungsgruppe mitwirken kann, in der verschiedene Themen des Umstrukturierungsprozesses zusammenfließen. Denn es ist wichtig, auch mit den Augen der Arbeitnehmer diesen Prozess zu betrachten. Zurzeit ist vieles noch sehr abstrakt, es muss aber greifbar werden.
Als gelernte Krankenschwester sind Sie ja auch vom Fach. Halten Sie daher die vorgeschlagenen Maßnahmen für richtig und umsetzbar?
Als Gewerkschafterin möchte ich natürlich, dass die Häuser, so wie sie jetzt sind, und alle Arbeitsplätze erhalten bleiben. Und ich möchte, dass die Finanzierung für eine gute Arbeit gesichert wird. Aber als Gewerkschafterin muss ich mich natürlich auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten stellen, die durch Bund und Land vorgegeben werden. Hier ist festzuhalten, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf einem schwierigen Weg ist. Und deshalb sind die Kliniken im Kreis ja in dieser prekären Lage. Ich glaube daher schon, dass das Curacon-Gutachten einen gangbaren Weg aufzeigt – allerdings muss dieser Weg auch noch viel detaillierter gestaltet und mit Inhalten gefüllt werden. Das ist jetzt Aufgabe der Arbeits- und Steuerungsgruppen. Dafür brauchen wir auch das Know-how der Beschäftigten.
Gerade aus Rotenburg gibt es Vorschläge, wie die Akutmedizin am HKZ erhalten bleiben könnte. Die Geschäftsführung hält die Vorschläge für nicht umsetzbar, was sagen Sie?
Grundsätzlich würde auch ich mir wünschen, die Akutmedizin in Rotenburg erhalten zu können. Aber ich befürchte, dass das aus rein finanzieller Sicht nicht möglich ist. Die Fördermittel aus dem Krankenhausstrukturfonds sind beispielsweise an Bedingungen geknüpft. Dabei geht es um die Konzentration von Krankenhäusern und um Teilschließungen, um teure Doppelstrukturen zu vermeiden. Natürlich tut das richtig weh, ich komme schließlich selbst aus einem Krankenhaus und weiß, wie hart das für die Mitarbeiter ist, die jahrelang gute Arbeit geleistet haben. Hier muss die Politik eine Entscheidung treffen, um eine breite medizinische Versorgung im Landkreis zu erhalten.
Wie erleben Sie die Verhandlungen mit der Klinik-Geschäftsführung? Gerade Rolf Weigel gilt ja nicht als besonders gewerkschaftsfreundlich?
(lacht) Ja, und wir sind auch oft nicht einer Meinung. Aber wir haben einen Weg gefunden, um im Dialog zu bleiben, und wir versuchen gemeinsam Ziele zu erreichen. Trotz aller Unterschiede ist das auch mit Herrn Weigel möglich. So haben wir sogar einige Verbesserungen zum Beispiel für die Beschäftigten des HKZ erreichen können, wobei beide Seiten auch Zugeständnisse machen mussten. Mein Augenmerk wird aber bei allen Verhandlungen auf den Arbeitsbedingungen und dem Erhalt aller Arbeitsplätze liegen – und damit meine ich nicht nur die Pflege und die Ärzte, sondern wirklich alle Arbeitsplätze.
... und wie optimistisch sind Sie, dass das gelingt?
Wenn Herr Weigel zuletzt gesagt hat, er könne noch keine allgemeine Beschäftigungsgarantie abgeben, dann fehlt ihm dazu offenbar der Mut. Ich habe dazu eine klare Meinung: Wir werden um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen.
Sie wünschen sich zudem einen einheitlichen Tarifvertrag für alle Beschäftigten nach TVöD. Das wird teuer, oder?
Wenn sich die Kommunalpolitik klar zu einer kommunalen Trägerschaft der Kliniken bekennt – was ich übrigens wichtig und richtig finde – dann heißt das aber auch, dass ein kommunaler Tarifvertrag gelten muss. In der Orthopädie und auch im HKZ ist uns ein Übergang in den TVöD gelungen, bisher ist er aber noch nicht zu 100 Prozent angepasst. Im Klinikum gibt es einen großen nicht tarifgebundenen Teil. Derzeit gibt es eine riesige Unzufriedenheit über diese unterschiedlichen Entgeltbedingungen. So bekommen zum Beispiel all jene, die nicht im TVöD sind, auch nicht die allgemeine Corona-Prämie.
Wird da nachgebessert?
Wir haben das angesprochen, aber zurzeit gibt es keine Bewegung. Als Gewerkschaft können wir aber leider auch keinen Druck machen, weil diese Bereiche bisher nicht tarifgebunden sind. Doch offenbar will man im Aufsichtsrat noch mal darüber reden, sodass ich auf eine Entscheidung zugunsten dieser Kollegen hoffe. Doch wie bei der Corona-Prämie, ist es auch bei allen anderen Dingen: Es arbeiten Menschen nebeneinander, sie haben die gleichen Aufgaben und werden doch unterschiedlich bezahlt. Hier erwarte ich von Gesundheitsminister Spahn und der Bundesregierung Nachbesserungen.
Das heißt?
Die Krankenhausfinanzierung muss bundesweit so organisiert sein, dass ein Krankenhaus auch wirklich refinanziert wird und nicht immer nur am Existenzminium knappst. Dann gäbe es auch keinen Investitionsstau.
Der Klinikumbau wird zurzeit auch im Kommunalwahlkampf kontrovers diskutiert. Hilft das den Beschäftigten?
Nein, das glaube ich nicht. Natürlich ist die Kommunalpolitik für diesen Klinik-Konzern verantwortlich und hat deshalb auch ein Mitspracherecht. Ich finde es auch beeindruckend, dass sich der Kreis zur kommunalen Trägerschaft bekennt und viel Geld in das Unternehmen investiert. Ich glaube auch nicht, dass die Gesundheitsversorgung in private Hände gehört, um der Gewinnmaximierung zu dienen. Dennoch ist eine sachliche Auseinandersetzung wichtig. Ein Krankenhaus darf dabei aber nicht zum Spielball im Wahlkampf werden. Das verunsichert die Kolleginnen und Kollegen, und es werden Hoffnungen geweckt, die womöglich nicht eingehalten werden können.
Die Kommunikation des Klinik-Konzerns wird häufig kritisiert. Zurecht?
Ich kann nicht wirklich beurteilen, ob es Informationsdefizite bei den Entscheidungsträgern gibt. Natürlich ist es bei einem so großen Unternehmen schwierig, alle gleichzeitig zu informieren. Aber ich merke schon, dass die Geschäftsleitung versucht, die Kommunikation zu verbessern.
Der gesamte Umstrukturierungsprozess soll bis 2024/25 abgeschlossen sein. Ist das realistisch?
Das halte das für sehr sportlich!
Zur Person:
Kerstin Röhrhoff wurde 1964 in Homberg/Efze geboren und hat eine Ausbildung als Krankenschwester in den Schwalm-Eder-Kliniken absolviert. Dort hat sie auch lange gearbeitet, unter anderem als Stationsleiterin. Sie hat eine Weiterbildung zur Diabetesberaterin angeschlossen und war lange Zeit in den Schwalm-Eder-Kliniken teilfreigestellte Betriebsrätin. Dort hat sie auch den Übergang vom kommunalen in den privaten Kliniksektor erlebt. 2009 wechselte sie zu Verdi-Osthessen und ist dort Fachbereichssekretärin für Gesundheit und Soziales. Kerstin Röhrhoff ist verheiratet, hat eine erwachsene Tochter und lebt in Homberg. kai Foto: VERDI/NH
Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 01.03.2021