Mini-Computer hilft verstehen

Was ist ein sogenanntes Cochlea-Implantat?
Cochlea ist der lateinische Begriff für Hörschnecke. Das Cochlea-Implantat (CI) ist sozusagen das erste künstliche Sinnesorgan der Medizingeschichte. Es ist eine Art Mini-Computer, der versucht, eine ausgefallene Hörschnecke zu ersetzen und Schallwellen in elektrische Impulse umwandelt. Das Cochlea-Implantat besteht aus zwei Teilen, einem internen und einem externen. Verwendet wird es seit Mitte der 80er Jahre.

Für wen eignet sich ein solches Implantat?

Das CI kann Patienten mit Schäden an der Hörschnecke helfen, für die ein übliches Hörgerät nicht ausreicht. Grundvoraussetzung sind ein intakter Hörnerv und ein funktionsfähiges Hörzentrum im Gehirn. Eine in jedem Fall notwendige ärztliche Voruntersuchung bringt laut Issing und Spreng Klarheit, ob ein CI medizinisch sinnvoll und operativ möglich ist. Grundsätzlich eignet sich so ein Implantat für nach dem Spracherwerb Ertaubte und hochgradig Schwerhörige, aber auch für bereits gehörlos geborene Kinder. Bei von Geburt an tauben Erwachsenen ist der Einsatz eines CI nicht unmöglich, aber schwierig, da das Gehirn die Informationen zuerst nicht verarbeiten  kann. Am Klinikum werden CI-Patienten vom Säugling bis zum Senior betreut.

Wie wird das Cochlea-Implantat eingesetzt?
In ein Knochenbett eingesetzt wird das mit einem Magneten versehene Implantat in einer gut einstündigen Operation unter Vollnarkose durch einen Schnitt hinter dem Ohr. Die Elektrode wird in das Innenohr eingeführt. Nach dem Eingriff müssen die Patienten etwa drei Tage im Krankenhaus bleiben. Am Klinikum in Bad Hersfeld werden jährlich etwa 30 solcher Operationen vorgenommen. Auf welcher Seite das CI eingesetzt wird, hängt von der Art der Ertaubung, dem Resthörvermögen oder den persönlichen Präferenzen ab. Auch CIs an beiden Seiten sind möglich.

Wie funktioniert das künstliche Sinnesorgan?
Normale Hörgeräte verstärken den Schall, ein CI wandelt den Schall in elektrische Impulse um, die den Hörnerv stimulieren. Das Implantat wird über einen Sprachprozessor hinter dem Ohr gesteuert, der für jeden Träger individuell programmiert wird und Signale durch die Haut an das in der Hörschnecke sitzende Implantat weiterleitet. Das Gehirn empfängt die Signale über den Hörnerv, der Patient kann Sprache und Geräusche wieder wahrnehmen. Das CI funktioniert mit Batterien oder Akkus, die regelmäßig gewechselt werden müssen. Für unterschiedliche Situationen im Alltag lassen sich verschiedene Programme einstellen.

Wie geht es nach der OP weiter?
Schon während der OP wird die Funktionsweise des Implantats getestet. Der Sprachprozessor wird drei bis vier Wochen später angepasst. Anschließend muss das neue technische Hören mit dem CI erlernt werden, dabei ist die aktive Mitarbeit des Patienten unter fachkundiger Anleitung gefragt. „Hören findet im Kopf statt“, erklärt dazu Martin Spreng. Im Laufe des Lebens sind dann weitere Anpassungen und regelmäßige Kontrollen nötig.

Welche Risiken birgt der Einsatz eines CIs?
Zu Komplikationen, zum Beispiel Entzündungen, kann es wie bei jeder Operation kommen. In diesem speziellen Fall sind vorübergehende oder dauerhafte Beeinträchtigungen der Gesichts- oder Geschmacksnerven möglich. Einige Patienten leiden in der Anfangszeit auch unter Schwindel.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
Ja, der Einsatz eines Cochlea-Implantats wird von der Krankenkasse vollständig bezahlt. Die Gesamtkosten inklusive Gerät, Operation und so weiter betragen immerhin rund 35 000 bis 40 000 Euro. Auch die Kosten für die Batterien werden im Gegensatz zu denen für normale Hörgeräte bei einem CI von der Kasse übernommen.

Zur Person

PROF. DR. ROLF PETER ISSING (55 Jah re) ist Chefarzt der HNO-Klinik am Klinikum Bad Hersfeld. Er wurde in Würzburg, Tübingen und Hannover ausgebildet und ist Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Plastische Ope- rationen und Allergologie. Er ist seit 2003 am Klinikum und hat zudem mehrere Auslandsaufenthalte in den USA und Australien absolviert. Issing ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Bad Hersfeld.

MARTIN SPRENG (50 Jahre) ist Diplom-Biologe und wohnt in Bad Hersfeld. Er hat in Darmstadt Biologie mit dem Schwerpunkt Neurobiologie studiert und für seine Diplomarbeit Grundlagenforschung für das Cochlea-Implantat (CI) betrieben. Er war neun Jahre lang technischer Leiter einer CI-Rehabilitationseinrichtung in Osnabrück und ist seit zehn Jahren als CI-Spezialist und Leiter der Audiologie am Klinikum in Bad Hersfeld tätig. Foto,Text: nm

Selbsthilfegruppe für CI-Träger

Tipps und Unterstützung bei der Bewältigung der Hörschädigung erhalten Betroffene und Angehörige von CI- Trägern zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe. Denn auch mit einem Cochlea-Implantat bleiben die Patienten hörgeschädigt. Für den Kreis Hersfeld-Rotenburg hat Antje Berk aus Hohenroda eine solche Gruppe gegründet.

Kontakt:
Selbsthilfegruppe Cochlear-Implant & Hörgeschädigten-Treff Bad Hersfeld,
Kontaktdaten:
Gruppenleiterin Antje Berk, Buttlarstraße 35, 36284 Hohenroda,
Telefon/Fax: 06676/1230, EMail: antje_berk@web.de
Ansprechpartnerin speziell für Eltern von Kindern mit CIs ist Alexandra Heyer aus Friedewald, Baumgarten 5,
Telefon 06674/8180.

pdf Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 25.05.2016