Müssen Krampfadern operiert werden?
Krampfadern an den Beinen sind ein für viele sichtbares und auffälliges Krankheitsbild. Sie führen häufig zu Schmerzen, Juckreiz, Schwellneigung und Spannungsgefühl in den Beinen. Aber auch das ästhetisch störende Bild der durch Krampfadern gekennzeichneten Beine bereitet Betroffenen einen gewissen Leidensdruck. Nicht selten bleiben Krampfadern jedoch auch völlig ohne typische Beschwerden. Träger von Krampfadern erhalten durch Nahestehende, gelegentlich auch von Ärzten den Rat, sich die Krampfadern entfernen zu lassen.
Menschen mit Krampfadern können fast immer berichten, dass ein Eltern- oder Großelternteil ebenfalls von dieser Veränderung betroffen war. Es handelt sich dabei um eine Form der vererbten „Bindegewebsschwäche“, bei der die Wandschwäche von oberflächlichen Venen an den Beinen zu einer Erweiterung und einem daraus resultierenden Funktionsverlust der Venenklappen führt. Der in den Venen normalerweise von den Füßen zurück zum Herzen gerichtete Blutstrom verläuft in den Krampfadern der Beine der Schwerkraft gemäß wieder weg vom Herzen in die Unterschenkel. Die Stauung und Druckerhöhung des Blutes in den Unterschenkeln kann neben den erwähnten Beschwerden zu Komplikationen inform von Thrombosen der oberflächlichen Venen (sogenannte Venenentzündungen), Krampfaderblutungen oder stauungsbedingte Ernähungsstörungen von Haut und Weichgewebe an Unterschenkel führen, welche Hautveränderungen durch Verhärtung und bräunliche Pigmenteinlagerungen, aber auch sogenannte „offene Beine“ inform von Unterschenkelgeschwüren bewirken können. Was ist zu tun, damit Beschwerden durch Krampfadern verringert und Komplikationen vermieden werden?
Konservative Behandlung
Damit der fehlgerichtete Blutstrom in den Krampfadern und der Stauung des Blutes in den Unterschenkeln entgegengewirkt wird, können elastische Kompressionsstrümpfe der Klasse II nach Maß bis zur Leiste getragen werden, da die krankhaften Veränderungen der oberflächlichen Beinvenen fast immer bis zur Mündungsregion der großen Stammvene in der Leiste reichen. Damit ist in den meisten Fällen ein medizinisch ausreichendes Behandlungsergebnis und die Vermeidung von Komplikationen des Krampfaderleidens zu erzielen. Oft wird der Behandlungskomfort jedoch als eingeschränkt empfunden. Hier kann bei Betroffenen mit nur geringen krampfaderbedingten Beschwerden das Tragen sogenannter elastischer Stützstrümpfe als Konfektionsware vorgeschlagen werden. Diese entsprechen ungefähr einer Kompressionsklasse I und lassen sich deutlich leichter anziehen, auch wenn sie formal zur Behandlung des Krampfaderleidens als medizinisch unzureichend angesehen werden müssen. Während für die häufig beworbenen Salbenpräparate zur Behandlung der Krampfadern in Untersuchungen kein Wirkungsnachweis erbracht werden konnte, ließ sich für verschiedene pflanzliche Präparate in Tablettenform eine Beschwerdeverringerung durch einen tonisierenden, kräftigenden Effekt auf die Venenwand in Studien bestätigen. Zu diesen Wirkstoffen gehören, Mäusedorn, Steinklee, rotes Weinlaub, Rosskastaniensamenextrakt und Agrumenfrüchte. Diese Medikamente werden von der Krankenversicherung nicht übernommen. Körperliche Bewegung durch Gehen, aber auch jeglicher Sport unterstützt den Blutrückstrom aus den Beinen zum Herzen, während längeres Stehen oder Sitzen das Auftreten von Beschwerden bei Krampfadern vermehrt.
Operative Behandlung
Ziel der operativen Behandlung ist die Verringerung von Beschwerden und Vermeidung von Komplikationen durch das Entfernen der oberflächlich unter der Haut verlaufenden Krampfadern. Der Eingriff sollte das Wiederauftreten von Krampfadern möglichst längerfristig vermeiden, komplikationsarm durchgeführt werden und durch die weitgehende Vermeidung von Narben ästhetische Ansprüche erfüllen. Trotz einer über Jahrzehnte weiterentwickelten Operationstechnik treten Krampfadern bei ungefähr 40 % der Operierten später wieder auf. Eine weitere Operation ist auch dann noch möglich.
In den zurückliegenden Jahrzehnten konnte ein vor über 100 Jahren vom amerikanischen Arzt Babcock entwickeltes Strippingverfahren weiterentwickelt werden. Es gilt in Deutschland bis heute als das Standardverfahren zur Beseitigung von Krampfadern, da es die Ansprüche geringer Komplikationsraten, ästhetische Gesichtspunkte und die Erwartung der Krankenversicherungen an eine meist ambulante Durchführbarkeit des Eingriffes erfüllt.
Dennoch führt dieses Strippingverfahren, bei dem die erkrankte oberflächliche Stammvene zwischen kleinen Hautschnitten mittels einer Sonde aus dem Bein herausgezogen wird, zu mehr oder weniger ausgeprägten Blutergüssen und gelegentlich schmerzhaften Nervenirritationen im Verlauf dieses Wundkanals. Vor 1,5 Jahrzehnten entstanden daher Alternativverfahren zum Stripping und haben sich weiterentwickelt. Dabei wurden Verfahren entwickelt, bei denen die erkrankte Stammvene am Bein mit einem Katheter verschlossen wird und daher nicht mehr durch Stripping gezogen werden muss. Am meisten verbreitet ist die Behandlung mit Radiofrequenzkathetern oder Laserkathetern, die beide das gleiche Prinzip verfolgen, die erkrankte Stammvene durch Abgabe von Hitze so zu schädigen, dass sie sich letztlich dauerhaft verschließt und damit nicht mehr zu einem fehlgerichteten Blutstrom im Bein beitragen kann. Dies ist unter einer Regionalanästhesie oder Vollnarkose möglich. Ein anderes kathetergestütztes Verfahren verödet die Stammvene mittels eines Schaumes, was letztlich ohne Anästhesie möglich ist. Die sichtbar störenden Seitenastkrampfadern werden bei den Katheterverfahren ebenso wie bei der Behandlung durch Stripping über Minischnitte der Haut, die später ohne Narbenbildung abheilen sollen, nach der Häkelmethode entfernt oder durch Injektionen verödet.
Für die schonenderen modernen Katheterverfahren kann das verringerte Auftreten von Blutergüssen und Schmerzen unmittelbar nach der Operation festgehalten werden. Dies führt dazu, dass die Arbeitsfähigkeit nach dem Eingriff nach 4 bis 6 Tagen wieder hergestellt ist. Für das Strippingverfahren besteht nach statistischen Auswertungen eine Arbeitsunfähigkeit von 14 bis 17 Tage nach dem Eingriff. Das Tragen des elastischen Kompressionsstrumpfes nach dem Eingriff ist bei den Katheterverfahren für 2 bis 3 Wochen, nach dem Strippingverfahren für 3 bis 6 Wochen erforderlich. 4 bis 6 Wochen nach dem Eingriff verlieren sich die Unterschiede zwischen den schonenderen modernen Katheterverfahren und dem etablierten Strippingverfahren nach Babcock. Die Langzeiterfolge der unterschiedlichen Verfahren werden mittlerweile als gleichwertig angesehen. Ist die Stammvene (V. saphena magna oder parva) bereits entfernt, kommen die kathetergestützten modernen Verfahren bei Rezidiv-, d. h. Wiederholungsoperationen des Krampfaderleidens nicht in Betracht.
Während in den USA das Strippingverfahren lediglich noch in 10 % der Kampfaderoperationen angewandt wird, kommen die modernen Katheterverfahren in 90 % der Eingriffe vor. In Deutschland sind die gesetzlichen Krankenversicherungen nicht dazu verpflichtet, die Kosten für das etwas teurere kathetergestützte Verfahren zu übernehmen, was deshalb lediglich von wenigen Krankenkassen oder im Rahmen spezieller Verträge mit ausgewählten Leistungsanbietern erfolgt. In der überwiegenden Anzahl gesetzlich Versicherter ist die Behandlung mittels schonender Katheterverfahren nur möglich, wenn der Patient die Gesamtbehandlungskosten selber übernimmt. Private Krankenversicherungen oder Zusatzversicherungen übernehmen die Mehrkosten des kathetergestützten Verfahrens hingegen. Nach einer Recherche des statistischen Bundesamtes vor wenigen Jahren wurden die jährlichen Behandlungskosten des Krampfaderleidens in Deutschland mit 800 Mio. Euro beziffert. Insgesamt 350.000 Eingriffe erfolgten jährlich in Deutschland zur Behandlung des Krampfaderleidens, davon 1 Drittel unter stationären Bedingungen. Das Strippingverfahren von Krampfadern war der zehnthäufigste Eingriff in Deutschland. Dem gegenüber werden Krampfadern in den USA oder Großbritannien bezogen auf die Bevölkerung in deutlich geringerer Anzahl durchgeführt.
Nach dem Stand der heutigen medizinischen Erkenntnisse sind sowohl die konservative Behandlung durch Tragen elastischer Kompressionsstrümpfe als auch die operative Therapie mit Entfernung der oberflächlichen Krampfadern geeignet, das Krampfaderleiden mit der Zielsetzung einer Beschwerdeverringerung und Komplikationsvermeidung zu behandeln. Wer die Krampfaderoperation vermeiden möchte, wird sich für die konservative Therapie entschließen. Dem gegenüber wird derjenige, der das dauerhafte Tragen des Kompressionsstrumpfes ablehnt oder die störenden Krampfadern entfernt haben möchte, sich zur Operation entschließen. Treten Beschwerden oder Komplikationen des Krampfaderleidens trotz konsequenter Kompressionsbehandlung auf, kann dies einen weiteren Grund für die operative Krampfaderentfernung darstellen. Wer keinerlei krampfaderbezogene Beschwerden empfindet und keine Gewebekomplikationen inform der Geschwürsbildung drohen, wird weder die eine noch die andere Behandlungsform durchführen wollen.
Die Gefäßchirurgie
Seit Ende 2005 besteht die Klinik für Gefäßchirurgie unter der Leitung von Dr. Markus Schmidt, Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie, Phlebologe, endovaskulärer Chirurg, als eigenständige Klinik am Klinikum Bad Hersfeld. Mit einem Team mehrerer Fachärzte werden sämtliche arteriellen und venösen Gefäßerkrankungen, das diabetische Fußsyndrom und seit 1,5 Jahren ebenfalls Shuntoperationen für Dialysepatienten abgedeckt. Einen Schwerpunkt stellt die Diagnostik, die konservative und operative Behandlung des Krampfaderleidens als Teil der Venenheilkunde (Phlebologie) dar. Neben dem konventionellen Krampfaderstripping wurde vor ca. 5 Jahren ein schonendes, kathetergestütztes Verfahren zur Stammvenenausschaltung inform der Radiofrequenzbehandlung etabliert.