Neubau thront über allem

Klinikum blickt in bewegten Zeiten positiv auf das vergangene Jahr zurück

Zum Jahresende ist es traditionell Zeit, Bilanz zu ziehen. Das Klinikum Hersfeld-Rotenburg befindet sich in der größten Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft im Landkreis. Mit der Erweiterung wird im Frühjahr begonnen - Ende 2026 soll dann der neue, hochmoderne Klinikkomplex übergeben werden. Doch auch abseits der großen Baumaßnahme gibt es viele interessante Themen, die es wert sind, beleuchtet zu werden.


Rolf Weigel, Geschäftsführer des Klinikums Bad Hersfeld, Dr. Dalibor Bockelmann, Medizinischer Direktor, und Sascha Sandow, Kaufmännischer Direktor. - Foto: Christopher Göbel

OSTHESSEN-NEWS traf sich dazu am Bad Hersfelder Standort im Seilerweg, mit der Geschäftsführung des Klinikums, und sprach im exklusiven Interview mit dem Geschäftsführer Rolf Weigel, dem Kaufmännischen Direktor Sascha Sandow und dem Medizinischen Direktor Dr. Dalibor Bockelmann.

OSTHESSEN-NEWS: Es wird viel über Krankenhäuser in Deutschland debattiert, wo steht der Klinikkonzern auch im Vergleich mit anderen Standorten in Hessen und der Region?

Rolf Weigel: "Es gibt eine große Dichte an politischen Themen, die es in dieser Fülle auf dem Kliniksektor noch nie gegeben hat. Dabei reden wir beispielsweise von Vorhaltefinanzierung, Hybrid-DRG’s (Anm. d. Red. Krankenhäuser sollen dieselbe Vergütung für bestimmte Eingriffe erhalten, egal, ob sie ambulant oder stationär durchgeführt werden), sowie der Ambulantisierung. Wir arbeiten also tagtäglich in sehr bewegten und ständig herausfordernden Zeiten. Zudem noch die Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Wenn man die generellen Herausforderungen beiseitelegt und sich auf unseren Konzern konzentriert, bekommen wir aus der Politik sowie von den Krankenkassen zurückgespiegelt, dass die Entscheidung, die Kompetenzen an einem Standort zu bündeln, die richtige gewesen ist."

O|N: Das beherrschende Thema ist natürlich die Klinik-Erweiterung am Bad Hersfelder Wehneberg - wie würden Sie bisher den Prozess reflektieren?

Weigel: "'Veränderung macht Angst' - dieser Spruch steht sinnbildlich für den Start unseres Vorhabens. Zudem haben wir lange die Strategie verfolgt, dass wir die Standorte stärken wollen und dann mussten auch wir uns neu hinterfragen und unsere Meinung ändern. Diese Kehrtwende braucht zunächst auch intern viel Kraft und Überzeugungsarbeit. Inzwischen ist es uns gelungen, den Menschen deutlich zu machen, dass der eingeschlagene Weg richtig und notwendig ist - die Akzeptanz ist deutlich gewachsen."

O|N: Wie sieht der aktuelle Zeitplan bei diesem Projekt aus, denn generell gibt es derzeit ja viele Fragezeichen im Bausektor?

Weigel: "Alle Ampeln sind auf Grün gestellt, alle Vorwegmaßnahmen sind genehmigt worden und sind teilweise auch schon in der Umsetzung. Unser Ziel ist die Baufertigstellung im Jahr 2026 und dass im ersten Quartal 2027 der Umzug realisiert wird."

Sascha Sandow: "Es ist ein sehr stringenter Prozess, wofür wir sehr dankbar sind. Seit der Beantragung der Fördermittel im Februar 2022, sind gerade einmal 20 Monate vergangen, bis die ersten Bauaktivitäten zu verzeichnen waren. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir den Zeitplan einhalten werden und wir Ende 2026 das Gebäude übergeben bekommen. Wir nehmen im Übrigen aufgrund des hohen Zinsniveaus eine sehr gute Angebotssituation im Bausektor wahr, dies hat sich bei den Ausschreibungen deutlich gezeigt. Solch große Maßnahmen sind, wo man langfristig planen kann, anscheinend sehr attraktiv für die Baufirmen. Dies zeigt sich bereits in den ersten Ausschreibungsergebnissen, so dass wir weiterhin davon ausgehen dürfen,  die avisierten Baukosten einzuhalten zu können."

O|N: Gegen den Neubau an sich gibt es kaum Widerstände - beim Thema Mehrbelastung durch den Verkehr sieht das anders aus, wie kann gemeinsam mit den Anliegern und der Stadt eine Lösung gefunden werden?

Weigel: "In der Vergangenheit wurde das Problem überhaupt nicht beachtet, es gab wenig Sensibilität für dieses Thema, das hat sich durch die Bürgerinitiative sowie die neue Bürgermeisterin geändert. Und wir können der BI vollkommen zustimmen - das Klinikum benötigt eine zweite Zuwegung!"

Sandow: "Die Interessenslage ist bei allen Beteiligten eigentlich sehr ähnlich. Wir haben ein großes Interesse an einer zweiten Zuwegung, die Anwohner und die Stadt natürlich auch. Derzeit kommen wir rund alle sechs Wochen oder anlassbezogen zusammen und tauschen uns über die verschiedenen Dinge aus. Der Anfang ist auch mit dem Beschluss der Bad Hersfelder Stadtpolitik und der Machbarkeitsstudie gemacht. Wir werden dann in den nächsten Monaten sicherlich zu einer Konkretisierung der möglichen zweiten Zuwegung kommen."

O|N: Der Landkreis hat in den vergangenen Jahren extreme finanzielle Wagnisse auf sich genommen. Wie lange glauben Sie, dass diese Defizite noch aufgefangen werden können?

Weigel: "Ich glaube, trotz aller Diskrepanz in der Diskussion auf der Kreisebene in Sachen Haushalt, gibt es allerdings in Sachen Klinikum eine große Zustimmung, was die kommunale Trägerschaft und den Ausbau in Bad Hersfeld angeht. Es ist gibt sicher nur ganz wenige Kreistagsmitglieder, die den eingeschlagenen Weg infrage stellen. Zumal die Lage in anderen Krankenhäusern in Hessen, was die wirtschaftlich defizitäre Lage angeht, sehr ähnlich ist. Unser derzeitiges Modell mit den mehreren Standorten ist ein Mehraufwand von rund 15 Millionen Euro, was die Situation verdeutlicht."

O|N: Kommen wir zur Arbeit im Allgemeinen: Wie beurteilen Sie die Arbeit im Klinikum, welche Dinge laufen bereits gut und an welchen Stellschrauben muss noch gedreht werden? Wie sieht es mit der Patientenzufriedenheit im Klinikum aus?

Dr. Dalibor Bockelmann: "Das letzte Jahr kann maßgeblich mit drei Säulen beschrieben werden. Zum einen auf der personellen Ebene - wir konnten sehr viele neue hervorragende Chefärzte und Leitende Mitarbeiter für uns gewinnen. Jeden Auswahlprozess haben wir dabei immer auch als Chance für eine medizinische oder strukturelle Weiterentwicklung begriffen und haben an dieser Stelle vieles richtig gemacht. Auch die zweite Säule "Mitarbeiterzufriedenheit" ist aus verschiedenen Gründen elementar. In diesen Aspekt haben wir ebenfalls viel Energie investiert und uns positiv weiterentwickelt. Die dritte Säule ist die medizinisch-technische Weiterentwicklung - im Spätsommer haben wir beispielsweise unseren Operationsroboter bekommen.
Hier nehmen wir bereits jetzt eine hohe Akzeptanz unseres Angebotes der robotischen Chirurgie wahr. Sowohl in der Urologie, als auch in der Allgemein- und Viszeralchirurgie haben wir eine starke Nachfrage seitens unserer Patienten nach diesen modernen OP-Verfahren. Es bestätigt unsere Entscheidung, sehr erfahrene und seit Jahren mit dem Roboter arbeitende Chefärzte in diesen Bereichen zu verpflichten. Mit den Erfahrungen des vergangenen Jahres war es ebenfalls richtig, den Marktführer –DaVinci- der Robotik im Klinikum anzuschaffen. Sowohl der technische Support seitens des Herstellers wie auch dessen medizinisches Aus- und Weiterbildungskonzept sind die Spitze des Standards in der OP-Robotik.
Gerade diese technischen Innovationen werden uns nachhaltig weiterbringen und positive Sekundäreffekte haben. Generell ziehen wir für das vergangene Jahr trotz der vielfältigen Herausforderungen in und für die Krankenhauslandschaft ein sehr positives Fazit. Dies untermauert das Beispiel unserer Herzchirurgie, wo wir ein sehr hohes Renommee genießen und uns eine weit überregionale Bedeutung erarbeitet haben. Auch die Zahlen bei der Patientenzufriedenheit sprechen eine deutliche Sprache - rund 90 Prozent sind mit unserer Arbeit zufrieden. Unser Anspruch kann nur sein, jeden Tag ein kleines bisschen besser zu werden und ich bin der festen Auffassung, dass uns das auch gut gelingt."

O|N: In einigen Dingen, wie dem FlexPool-Konzept sind sie bereits Vorreiter. Wie wichtig sind Innovationen im Klinik-Alltag und besonders in der Mitarbeitergewinnung?

Weigel: "In der Vergangenheit war der Berufsalltag sehr starr und unsere Mitarbeiter wurden in dieses Modell gepresst. Für viele Menschen ist dies immer wieder, zumindest temporär, nicht realisierbar und deshalb wurde dieses Konzept bei uns eingeführt."

Bockelmann: "Dadurch konnten wir viele neue Mitarbeiter gewinnen. Erstaunlicherweise wechseln viele Mitarbeiter dann in den Regelbetrieb, weil sie sagen, dass sie "ihre" Station und das für sie richtige Team und Umfeld gefunden haben, dort bleiben und arbeiten möchten. Vor einem Jahr hätte ich es offen gestanden auch eher in die andere Richtung erwartet. Wir sehen dies allerdings eher als überraschenden positiven Effekt, weil diese Entscheidung natürlich Zufriedenheit am Arbeitsplatz widerspiegelt."

Sandow: "In der Pflege funktioniert das sehr gut, weil es dort einen großen Pool an Mitarbeitern gibt. Rund 60 Prozent sind ein festes Team auf den Stationen. Es greift, also nicht so intensiv in die Arbeitsprozesse ein."

O|N: Abschließend: Wo soll das Klinikum Hersfeld-Rotenburg in zehn Jahren stehen?

Weigel: "Ich glaube, dass die Zentrenbildung wird in zehn Jahren auf unserem Sektor elementar sein. Dabei wird auch die Interaktion zwischen den Krankenhäusern noch wichtiger werden. Das bedeutet, dass wir dann beispielsweise noch enger mit dem Klinikum Fulda zusammenarbeiten werden."

Sandow: "Wir werden in einem sehr modernen Bereich eingezogen sein. Ein neuwertiges Bettenhaus, ein neues hochmodernes OP-Zentrum und eine hochwertige Notaufnahme besitzen. Zudem wird dann auch der Altbereich saniert sein - die intersektorale Zusammenarbeit wird dadurch weiter gefördert werden. Wir werden in zehn Jahren mit unseren Partnern, die sektorenübergreifenden Ansprechpartner für Medizin in unserer Region sein."

Bockelmann: "Ich glaube, dass es regionale Cluster der Gesundheitsversorgung geben wird, in denen verschiedene Krankenhausstandorte ihr Leistungsangebot aufeinander abstimmen werden - es entstehen Zentren für bestimmte Erkrankungen und die Behandlung wird auch nur in diesen Zentren durchgeführt. Wichtiger Bestandteil eines jeden Clusters wird darüber hinaus ein universitätsmedizinischer Standort sein, der einerseits eine koordinierende Funktion übernehmen und weiterhin für medizinische Forschung stehen wird. In 'unserem' regionalen Cluster wird das Klinikum Hersfeld-Rotenburg ein wichtiger, verlässlicher und leistungsfähiger Standort der Gesundheitsversorgung sein - dessen bin ich mir sicher." (Kevin Kunze)+++

Hier finden Sie den Artikel in ON vom 27.12.2023