Nikotin belohnt das Gehirn
Rauchen - Süchtige haben häufig Probleme aufzuhören und bekommen Medikamente nicht bezahlt.
Das Thema
Ab Mai dürfen viele Zigarettenschachteln in Deutschland nur noch mit Warnbildern produziert werden. Aus diesem Anlass haben wir uns mit dem Thema Raucherentwöhnung beschäftigt.
In Deutschland gibt es etwa 14 Millionen Raucher. Viele nehmen sich jedes Jahr vor, mit dem Rauchen aufzuhören. Häufig obsiegt jedoch die Sucht, und es kommt zum Rückfall. Was genau eigentlich beim Rauchen in unserem Gehirn passiert und ob die Krankenkassen Kosten für die Entwöhnung übernehmen, darüber haben wir mit Prof. Dr. med. Gerald Schiller, dem Chefarzt der Psychiatrie im Klinikum Bad Hersfeld, gesprochen.
Warum rauchen Leute, obwohl sie wissen, dass es sie umbringen kann?
Rauchen ist eine Suchterkrankung. Vergleichbar mit Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit. Nikotin hat ein ähnliches Suchtpotenzial, wie zum Beispiel Kokain oder Amphetamine.
Was genau macht beim Rauchen abhängig?
Nikotin ist die Substanz, die die Abhängigkeit hervorruft. Es ist aber nicht die Substanz, die letztlich Krebs verursacht. Das sind andere sogenannte kanzerogene Stoffe. Nikotin dockt an Rezeptoren im Gehirn an und in Verbindung mit anderen Stoffen, wie Dopamin und Endorphin stimuliert es das sogenannte Belohnungssystem im Gehirn. Je mehr Nikotin konsumiert wird, desto mehr Glückshormone werden ausgeschüttet.
Was passiert, wenn jemand von einem Tag auf den anderen aufhört?
Das käme einem raschen Darniederlegen dieses Belohnungssystems gleich. Zur Folge hätte dies typische Entzugssymptome wie Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit, Unruhe und Depressionen.
Wie kann das Belohnungssystem noch getriggert werden?
Es kann durch Alkohol und Drogen, aber genauso gut durch Ausdauersport getriggert werden. Auch Internet, Süßigkeiten oder Kaffee können Zugangswege sein, um das Belohnungssystem zufrieden zu stellen.
Kann der Platz des Nikotins im Belohnungssystem ersetzt werden?
Einige der genannten Methoden und Ersatzstoffe können den Platz des Nikotins einnehmen. Manche beginnen zum Beispiel mit exzessivem Laufen oder anderem Ausdauersport. Hier können ähnliche Hochgefühle hervorgerufen werden, wie durch Drogenkonsum. Das nennt man auch „Runner’s high“.
Welches Ersatzmittel hat sich bei der Raucherentwöhnung besonders bewährt?
Es gibt verschiedene Hilfsmittel. Das Nikotinpflaster und den Nikotinkaugummi zum Beispiel. Beides kann mit der Substanz Bupropion (Handelsname: Zyban) kombiniert werden. Das ist ein Mittel, das seit vielen Jahren auf dem Markt ist und in der Psychiatrie als Antidepressivum verwendet wird. Hier besteht eine hohe Erfolgsrate hinsichtlich der Entgiftung. Durch die Kombination aus Pflaster oder Kaugummi mit Bupropion gibt es Jahresabstinenzraten von etwa 36 Prozent. Nur mit Bupropion liegt die Rate bei etwa 30 und nur mit Pflaster oder Kaugummi bei etwa 15 Prozent.
Gibt es auch alternative Entwöhnungsmethoden?
Es gibt zum Beispiel noch Akupunktur und Hypnose. Zu diesen Methoden gibt es aber keine wissenschaftlich gesicherten Studien mit einem Wirksamkeitsnachweis, lediglich Erfahrungsberichte einzelner Patienten.
Ab wann ist jemand, der mit dem Rauchen aufgehört hat, über den Berg?
Das ist schwer zu sagen. Manchmal geht es drei Jahre gut und man wird trotzdem rückfällig. Die Sucht ist kein rein biochemisches Phänomen. Da spielen auch Gewohnheiten, Stress und gesellschaftliche Faktoren eine Rolle. Man muss herausfinden, was die Ursache für die Abhängigkeit ist und daran ansetzen, sonst kann einen das Verlangen immer wieder einholen.
An wen kann man sich beim Versuch aufzuhören oder bei einem Rückfall wenden?
Die erste Adresse ist der Hausarzt. Es gibt auch allgemeine Suchtgruppen im Klinikum. Aber da ist Rauchen nicht das zentrale Thema.
Werden die Medikamente oder Therapien von den Krankenkassen finanziert?
Bisher nicht. Die Medikamente werden als sogenannte „Lifestyle-Medikamente“ angesehen, weswegen die Krankenkassen dafür nicht aufkommen. Für Alkoholabhängige hingegen gibt es eine Finanzierung. Dabei resultieren aus dem Rauchen viele somatische Erkrankungen, wie zum Beispiel Raucherbein, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Manchmal spielen auch unethische Dinge eine Rolle, zum Beispiel dass Raucher eine etwa 20 Jahre kürzere Lebenserwartung haben. Damit sind sie früher aus den Rentenbezügen raus. Jemand, der 20 Jahre kürzer lebt, hat auch 20 Jahre weniger Kassenleistungen. Diese Fakten tragen auch dazu bei, dass die Kostenträger die Kosten für eine Nikotinentgiftung und -entwöhnung bislang nicht übernehmen.
Zur Person
PROF. DR. GERALD SCHILLER (60) wurde in der Nähe von Nürnberg geboren. Er hat in Erlangen studiert und ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Geriatrie und Sportmedizin. Er arbeitet seit Herbst 2011 am Klinikum in Bad Hersfeld. Er hat eine Professur an der Fresenius-Hochschule in Idstein und einen Lehrauftrag an der Uni Gießen.