Ständig unter Strom
Um fünf Uhr früh war bislang für Dr. Rüdiger Volkmann die Nacht zu Ende. Jahrzehntelang war er immer als einer der ersten im Klinikum. Jetzt kann er ausschlafen. Nach 21 Jahren als Chefarzt der Unfallchirurgie wurde Dr. Volkmann gestern offiziell in den Ruhestand verabschiedet.
„In der Notfallmedizin ist man immer unter Strom“, sagt Volkmann. Jederzeit müssen Notfallaufnahme und Schockraum auf den Ernstfall vorbereitet sein. So wie an jenem Tag kurz vor Silvester 2014, als in Bad Hersfeld ein Reisebus auf der A4 verunglückte. „Wenn plötzlich 20 bis 30 Verletzte eingeliefert werden, dann wird es spannend“, erinnert sich der 67-Jährige. Diese Krisensituation damals habe das Team der Notaufnahme „gut gestemmt“. In solchen Situationen bewähre sich das ständige Training und ein gutes Schockraummanagement.
Nach 21 Jahren unter Strom sagt Volkmann heute, er habe keinen Tag bereut. „Ich würde wieder in die Notfallmedizin gehen“, sagt er. Sorge bereitet ihm hingegen die berufspolitische Entwicklung seiner Zunft. „Weitere 20 Jahre unter diesen Voraussetzungen würde ich nicht arbeiten wollen“, sagt Volkmann und beklagt die „Misstrauensgesellschaft“ der staatlich überregulierten Medizin, in der „sich alle argwöhnisch belauern“. Wäre Volkmann Gesundheitsminister, würde er die Kontrollsysteme zurückfahren und stattdessen mehr „Augenmerk auf Aus- und Weiterbildung“ legen. Heute setze die Medizin zu viel auf Technik und auf „unnötige Therapien“.
Trotz dieser mahnenden Worte scheidet Dr. Volkmann nicht mit Bitterkeit aus dem Job, der sein Leben war. Im Gegenteil. Er lobt die tolle Teamarbeit, ohne die es in der Unfallchirurgie gar nicht geht. Wenn es mal wieder besonders hoch her ging, dann seien auch mal die Emotionen hochgekocht, hinterher habe er sich aber mit einer Schachtel Pralinen entschuldigt, erzählt Volkmann schmunzelnd. In den Leitungsgremien des Klinikums, deren dienstältester Chefarzt er zuletzt war, „konnte jeder immer seine Meinung sagen.“ So war auch Volkmann ein geschätzter Ratgeber bei der Fusion des Klinikums mit dem HKZ.
„Alternativlos“ nennt er diesen Weg, man habe nicht warten dürfen, bis private Klinikkonzerne hier Fuß fassen. Besonders lobt Volkmann die Bereitschaft des Klinikums trotz des wirtschaftlichen Drucks Kinder aus Krisengebieten kostenlos zu behandeln. „Das war schön und oft herzergreifend“. Im Ruhestand könnte sich Dr. Volkmann vorstellen, karitative Organisationen mit seinem Wissen tatkräftig zu unterstützen. Außerdem wird er weiter im Bereich der Aus- und Weiterbildung als geschätzter Referent weltweit Vorträge halten. Nicht zuletzt müsse daheim der Keller aufgeräumt werden. Dafür reicht es aber, um 7 Uhr aufzustehen.
Das sagen die Kollegen
„Er hat das Bild des Klinikums mitgeprägt“
Geschäftsführer Martin Ködding betont, dass Dr. Rüdiger Volkmann als dienstältester Chefarzt alle Entwicklungen kritisch begleitet habe. Er habe auch alle anderen Chefärzte mit ausgesucht. „Wenn er von etwas überzeugt war, dann war ich sicher, dass wir nichts vergessen haben“, sagte Ködding. Volkmann habe das Bild des Klinikums Bad Hersfeld entscheidend mitgeprägt.
Prof. Dr. Markus Horn, Ärztlicher Direktor, lobt das Teamverständnis und die Kollegialität von Dr. Rüdiger Volkmann. „Der Abschied von unserem Kollegen bewegt uns Chefärzte auch emotional. Er wird eine große Lücke hinterlassen.
Michael Gottbehüt, Pflegedienstleiter, lobt vor allem die tolle Teamleistung der Unfallabteilung. Dr. Volkmann habe sich auch immer für die Belange des Pflegepersonals eingesetzt, sei immer gesprächsbereit mit einem offenen Ohr für die Mitarbeiter gewesen.
Nachfolger als Chefarzt der Unfallchirurgie ist seit dem 1. Januar
PD Dr. Ralf Kraus, der zuvor Chefarzt der Asklepios-Klinik in Lich war und an der Uni Gießen Medizin studiert hat.
Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 13.01.2019