Über 1000 Geburten pro Jahr
Das Aus der Alsfelder Geburtenstation macht sich am Klinikum Bad Hersfeld durchaus schon bemerkbar. „Wir hatten ja bereits vorher Geburten aus dem Vogelsbergkreis, aber im Dezember war schon zu bemerken, dass deren Zahl bei uns steigt“, erklärte die leitende Hebamme der Klinik, Sabine Jäger, in einem Pressegespräch. Auch dieser Zuwachs habe dazu beigetragen, dass die Hersfelder Klinik im vergangenen Jahr erstmals die Zahl von 1000 Geburten überschreiten konnte. 1017 Babys erblickten 2016 das Licht der Welt im Klinikum. Doch auch das Mehr an Geburten sei für das Klinikum gut zu bewältigen: „Wir haben vier Kreißsäle, die wir nutzen können, sodass selbst die 280 Alsfelder Geburten, wenn sie alle zu uns kämen, kein Problem für uns darstellen würden“, war sich Jäger sicher.
„1000 Geburten sind auch mein Ziel für dieses Jahr“, gab Dr. Kai Fischer, Chefarzt der Frauenheilkunde und der Geburtshilfe, als Ziel aus. Zwar würde er sich auch über 1100 Geburten in seiner Abteilung freuen, aber „eine stetige Steigerung kann nicht das Ziel sein“. Der Geschäftsführer des Klinikums, Martin Ködding, stimmte ihm dabei zu, denn schließlich müsse „auch die Struktur des Hauses passen, damit man eine solche Zahl an Entbindungen gut leisten kann“. Aus wirtschaftlicher Sicht müsste das Haus mindestens 800 Geburten pro Jahr verzeichnen, „die Politik will natürlich alle Geburten im eigenen Kreis haben“, erläuterte der Geschäftsführer zwei Kennzahlen. Wobei Letzteres mit den 1000 Kindern des vergangenen Jahres erreicht worden sei – statistisch.
„Es sind natürlich auch werdende Mütter aus den Randgebieten in Kliniken in anderen Kreisen gegangen, dafür kamen Mütter im Gegenzug zu uns.“ Und die nehmen auch aus den Randgebieten des Kreises bereits längere Fahrten in Kauf – „sie brauchen vom Rand unseres Einzugsgebietes auch schon rund 40 Minuten“, wie Ködding berichtete – , um in die einzig verbliebene Geburtenabteilung des Kreises Hersfeld/Rotenburg zu kommen. Denn das Krankenhaus in Rotenburg und das Elisabeth-Krankenhaus haben ihre Geburtshilfen-Klinik in den vergangenen Jahren geschlossen. Wobei es trotz der langen Anfahrtswege in den zurückliegenden fünf Jahren gerade einmal drei Frauen nicht rechtzeitig bis in die Klinik geschafft hätten, und die Geburt auf dem Weg passiert wäre, erinnert sich Jäger. „Im Zweifelsfall sollten die Eltern einfach frühzeitig losfahren. Wir können sie dann auch schon im Haus aufnehmen und werden sie nicht mehr zurückschicken“, betonten Jäger und Dr. Fischer unisono. Im Notfall rät Jäger den Eltern, den Notarzt zu verständigen und mit dem Rettungsdienst in die Klinik zu kommen. Und für eventuelle Notfälle während der Geburt sieht sich das Hersfelder Haus gut aufgestellt.
„Unsere Kinderklinik ist die ideale Absicherung für Früh- und Risikogeburten“, stellte Ködding den Vorteil der engen Verzahnung heraus. Innerhalb von sieben bis acht Minuten seien in allen Notfällen die Spezialisten der Kinderklinik in den auf demselben Stock liegenden Kreißsälen, um zu unterstützen. „Das ist deutlich unter der vorgeschriebenen Zeit von 20 Minuten“, verweist die leitende Hebamme auf die schnelle Hilfe. Dafür sind dann auch die beiden neuen Chefärzte der Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Carmen Knöppel und Dr. Holger Hauch mitverantwortlich. Beide sind mit jeweils einer halben Stelle seit Kurzem in Bad Hersfeld beschäftigt und zur anderen Hälfte an den Universitäten in Marburg beziehungsweise Gießen tätig. „Die Anbindung an die Universität hilft uns, da wir Expertisen der Kollegen einbringen können“, erläuterte Dr. Knöppel. Für Dr. Hauch liegt der Vorteil vor allem in der Netzwerkarbeit der Klinik mit den Universitäten. „Gerade im Bereich der Kinderonkologie ist die Diskussion mit allen Fachbereichen immens wichtig.“ Das Klinikum hat auf die potenziellen zusätzlichen Geburten auch personell reagiert. Insgesamt 16 Hebammen seien dort inzwischen beschäftigt, wobei zehn im Bereich der Kreißsäle und sechs für die Station eingeteilt seien. „2016 und in diesem Jahr haben wir jeweils eine ganze Stelle neu geschaffen“, erläuterte Jäger. Eine davon hat Svetlana Berg, eine ehemalige Hebamme aus dem Alsfelder Kreiskrankenhaus, übernommen. Wobei die Verantwortlichen durchaus einen sorgenvollen Blick in die Zukunft werfen, denn sie fürchten, „dass in Deutschland ein Hebammenmangel entsteht“. Nicht zuletzt durch die horrenden Summen für die Haftpflichtversicherungen für diesen Berufsstand. Denn diese steigen ähnlich wie die der Gynäkologen immer weiter an.
War das einer der Punkte, der die Alsfelder Frauenärzte zu ihrem Schritt bewogen hatte, haben die Bad Hersfelder Ärzte dieses Problem nicht. Da es eine Hauptabteilung des Klinikums ist, übernimmt das Haus auch die Haftpflichtbeiträge. „Bei einem Umsatz von 130 Millionen Euro im Jahr sind die zu schultern“, meinte Ködding.