Überraschende Wende: Kreis will HKZ kaufen

100-Millionen-Euro-Angebot - Angeblich droht Insolvenz

Das Klinikum Bad Hersfeld, das dem Landkreis gehört, will das private Herz- und Kreislaufzentrum Rotenburg (HKZ) kaufen. Das Angebot hat laut Landrat Dr. Michael Koch, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Klinikums, einen Umfang von 100 Millionen Euro. Das ist die nächste überraschende Wende im Ringen um den Gesundheitsstandort Hersfeld-Rotenburg. Zur Finanzierung soll das Klinikum rund 20 Millionen Euro Schulden des HKZ übernehmen. Außerdem sollen mit Zustimmung des Landes Investitionen vom Klinikum auf das HKZ verschoben werden.

Der Aufsichtsrat, dem auch die Fraktionschefs von SPD, CDU und Grünen im Kreistag angehören, habe gestern einstimmig für das Angebot votiert. Am Abend wurde es der HKZ-Geschäftsführung übergeben. Eine Stellungnahme war vor Redaktionsschluss nicht zu erhalten. Damit gibt das Klinikum zum zweiten Mal ein Angebot für das HKZ ab. Im Bieterverfahren für den Kauf des Krankenhauses war es im Sommer gescheitert. Nun tritt das Klinikum, das ein Vetorecht bei allen Transaktionen des HKZ hat, erneut in Konkurrenz zu einem privaten Klinikkonzern, der ein ähnliches Angebot abgegeben haben soll. Dabei handelt es sich nach unbestätigten Informationen um das Rhön-Klinikum. „Wir tun das, um eine drohende Insolvenz des HKZ abzuwehren“, sagte Koch. Dafür und für dringende Investitionen sollen neun Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Angebot würden zum einen die rund 900 Arbeitsplätze am HKZ gerettet, aber auch die Zukunft des Klinikums gesichert. Denn bei einem Einstieg des finanzstarken Rhön-Klinikums könnten mittelfristig Patienten von Bad Hersfeld abwandern. Eine Verbindung beider Krankenhausstandorte sieht Koch daher als besten Weg, um die Gesundheitsversorgung im ganzen Landkreis sicherzustellen.

 Hin und her im Klinikpoker

Eineinhalb Jahre ziehen sich die Verhandlungen um eine Fusion der drei Kliniken im Kreis schon hin. Das Kaufangebot des Klinikums an das HKZ ist die neueste Wende. Eine Chronik des wechselhaften Prozesses, in dem es um rund 2500 Mitarbeiter an Klinikum, Herz- und Kreislaufzentrum (HKZ) sowie Kreiskrankenhaus (KKH) geht:

Anfang 2014: Das Klinikum Bad Hersfeld verhandelt mit dem stark defizitären Kreiskrankenhaus Alsfeld und dem größeren Klinikum Fulda über eine Fusion. Hintergrund ist der steigende Kostendruck im Gesundheitswesen, der kleinere Häuser zum Zusammenschluss zwingt.
Juli 2014: Rotenburg und weitere Kommunen protestieren gegen die Fusion des Klinikums mit Häusern außerhalb des Kreises aus Angst um die Zukunft von HKZ und KKH.
19. September 2014: Landrat Dr. Karl-Ernst Schmidt lädt die drei Krankenhäuser im Kreis zu Fusionsgesprächen ein. Beim ersten Treffen bietet das HKZ überraschend an, das Klinikum zu kaufen. Wegen der komplizierten Konstellation aus privatem HKZ, öffentlichem Klinikum und kirchlichem Kreiskrankenhaus sei es der einfachste Weg zur „Kreislösung“, die alle Seiten als Königsweg für eine gute Gesundheitsversorgung ansehen.
3. November 2014: Der Kreistag bekräftigt eine Entscheidung von 2006, dass das Klinikum nicht privatisiert werden soll. Ein Verkauf ans HKZ ist damit vom Tisch.
29. Januar 2015: Das HKZ überrascht erneut, indem es sich selbst zum Kauf stellt. Wegen eines großen Investitionsstaus braucht das Krankenhaus einen Investor. Das könnte auch der Kreis sein.
25. Juni 2015: Klinikum und KKH scheitern im Bieterverfahren um das HKZ mit ihrem Angebot. Landrat Schmidt warnt vor einer verschärften Konkurrenz im Kreis, falls ein privater Klinikkonzern im HKZ einsteigt.
2. Oktober 2015: Das HKZ verhandelt mutmaßlich nur noch mit dem Rhön-Klinikum, das ein attraktives Angebot abgegeben haben soll. Die Verhandlungen ziehen sich hin, weil das Klinikum, das ein Vetorecht hat, dem Verkauf noch nicht zugestimmt hat.
3. November 2015: Nun überrascht das Klinikum und will seinerseits für ein Paket von 100 Millionen Euro das HKZ übernehmen.

Hintergrund

Komplizierte Eigentumsverhältnisse
Die Besitzverhältnisse am HKZ sind kompliziert, weil die Immobilien nach der Insolvenz 2001 vom Klinikbetrieb abgekoppelt wurden. Die Grundstücke gehören der Pergola GmbH & Co. KG, die in der Hand von über 800 Kommanditisten ist. Die Pergola wiederum hält einen Anteil von 82,5 Prozent an der HKZ-Betriebsgesellschaft, dem eigentlichen Krankenhausträger. Die übrigen Anteile verteilen sich auf Kardiologie-Chefarzt Dr. Christian Vallbracht (fünf Prozent) und das Klinikum Bad Hersfeld (12,5 Prozent). Beide haben ein Veto- und ein Vorkaufsrecht, wenn Anteile an der Betriebsgesellschaft veräußert werden. Mit seinem 100-Millionen-Euro-Angebot will das Klinikum nun die Immobilien und die Pergola-Anteile an der Betriebs-KG übernehmen. (mcj)

pdf Artikel aus der Hersfelder Zeitung vom 04.11.2015