Urlaub auf dem stillen Örtchen

Jeder zweite Urlauber erkrankt in den schönsten Wochen des Jahres an Durchfall – Was ist dann zu tun?

Reisezeit ist oft auch Durchfallzeit. Magen-Darm-Beschwerden können Urlaubern die schönsten Wochen des Jahres vermiesen. Über Durchfallerkrankungen im Urlaub sprach Kai A. Struthoff mit Privat Dozent Dr. Michael Keymling, Chefarzt der Gastroenterologie am Klinikum Bad Hersfeld.

Warum sind Urlauber so anfällig für „Montezumas Rache“?

PD DR. MICHAEL KEYMLING:
Etwa 60 Millionen Menschen weltweit gehen auf Reisen, und rund die Hälfte davon bekommt Durchfall - meistens drei bis vier Tage nach dem Reiseantritt. Das hat aber nichts mit der Art der Speisen am Urlaubsort zu tun, sondern es hat hygienische Gründe. Meist spielen Infektionen eine Rolle. Das hängt auch mit den Reisezielen zusammen. In der nördlichen Halbkugel ist die Reisediarrhoe weniger verbreitet als in den warmen, südlichen Ländern, wo häufig hygienische Standards nicht so hoch sind. Das gilt gelegentlich leider auch für vermeintliche Luxushotels.

Was passiert biologisch mit dem Körper bei Durchfall?

PD DR. KEYMLING:
Entweder wirken die Bakterien direkt oder über Toxine, also Giftstoffe. Die Schleimhaut des Magen-Darm-Traktes scheidet dann viel Flüssigkeit aus, das führt zu Durchfall. Eigentlich ist das ein Schutzmechanismus, denn der Körper versucht, die Toxine und Bakterien wieder loszuwerden. Aber sie können auch zu Schäden an der Schleimhaut mit Geschwüren und blutigen Durchfällen sowie auch starkem Flüssigkeitsverlust mit  Kreislaufproblemen und Störungen des Mineralstoffwechsels führen. Im schlimmsten Fall können die Erreger in die Blutbahn kommen. Das führt dann zu Fieber und ernsten Erkrankungen.

Wie schützt man sich am besten vor Durchfall?

PD DR. KEYMLING:
Es gibt einige Grundregeln: Immer Hände waschen. Allerdings muss man dabei auch auf die Wasserqualität achten. Nicht alles, was aus dem Hahn kommt, ist hygienisch einwandfrei. Deshalb sollte man notfalls Mineralwasser verwenden oder Hygiene-Tücher und Desinfektionssprays. Beim Essen, speziell in den warmen Ländern, gilt die einfache Regel: Nur durchgegartes Essen, keine frischen Salate, kein ungeschältes Obst, keine offenen Eiscremes. Gefährlich sind auch Eiswürfel, auf die man ebenfalls besser verzichten sollte. Am besten stillt man in heißen Ländern ohnehin seinen Durst mit warmem Tee. Wenn es einen dann doch erwischt hat, greifen  viele zu alten Hausmitteln wie Salzstangen und Cola.

Hilft das wirklich?

PD DR. KEYMLING:
Cola ist eine zehnprozentige Glukose-Lösung, und dazu noch Salzstangen – das mag funktionieren, ist aber wissenschaftlich nicht überprüft. Es gibt bessere Mittel, um sich zu rehydrieren.

Was sollte man also richtigerweise tun?

PD DR. KEYMLING:
Wenn man zwei oder drei dünne Stühle hat, reicht es oft zuzuwarten, das Problem regelt sich meist von selbst. Bei stärkerem Durchfall sollte man auf andere Symptome achten - etwa Kreislaufprobleme durch den  Flüssigkeitsverlust. Zum Rehydrieren eignen sich am besten Tee, verdünnte Fruchtsäfte oder fertig abgepackte Lösungen zum Anrühren, die man in der Reiseapotheke haben sollte und dann in Mineral- oder abgekochtem Wasser zubereitet.

Was ist mit Tabletten?

PD DR. KEYMLING:
Die verlangsamen die Motilität, also die Bewegung, im Darm. Allerdings sollte man die nur maximal 48 Stunden nehmen, denn das Verlangsamen kann die Krankheit auch verschlimmern, weil eben die Keime nicht  ausgeschieden werden. Wer Fieber bekommt und mehr als sechsmal Durchfall hat, sollte einen Arzt aufsuchen. Oft geht Durchfall auch mit Erbrechen einher. Dann bleibt keine Flüssigkeit drin.

Was tut man in diesem Fall?

PD DR. KEYMLING:
Auch das Erbrechen hört oftmals nach kurzer Zeit von selbst auf. Wenn das aber nicht der Fall ist, braucht man Hilfe in Form einer Infusion in die Vene.

Wie behandelt man Kinder?

PD DR. KEYMLING:
Kleine Kinder gehören genau wie hochbetagte Menschen und chronisch Kranke zu den Risikogruppen. Bei ihnen muss besonders schnell reagiert werden, wenn der Körper viel Flüssigkeit verliert. Das bedeutet dann, schnell ein  Krankenhaus aufzusuchen. Bei Reisen ist das allerdings oft schwierig, vor allem in Regionen mit einer  grenzwertigen medizinischen Versorgung. Auf solche Reisen muss man daher gut vorbereitet sein und vielleicht auch etwas frühzeitiger ein Antibiotikum einsetzen.

Gibt es auch Impfungen?

PD DR. KEYMLING:
Die Cholera-Schluckimpfung wirkt auch bei Colibakterien - den häufigsten Erregern der Reisediarrhoe. Sie ist aber dafür in Deutschland nicht zugelassen. Eine Impfung ist zwar möglich, wird aber von den Kassen nicht bezahlt. Bei Reisen etwa in afrikanische Länder ist eine solche Impfung zu empfehlen.

Was halten Sie davon, auch vorsorglich Durchfallmedikamente zu nehmen?

PD DR. KEYMLING:
Generell rate ich von prophylaktisch gegebenen Durchfallmitteln ab. Wer wichtige Termine hat und sich keine Durchfallerkrankung leisten kann, sollte besser vorsorglich an eine Impfung denken, Arzneihefe hilft ebenfalls, oder man kann vorsorglich und in Absprache mit dem Hausarzt ein Antibiotikum nehmen.

Zur Person

Privat-Dozent DR. MICHAEL KEYMLING wurde 1949 in Hamburg geboren. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Proktologie. Nach seiner Ausbildung und verschiedenen beruflichen Stationen in ganz Deutschland kam Keymling nach Bad Hersfeld, wo er zunächst an der Vitalisklinik und am Klinikum arbeitete. Danach war er 14 Jahre Chef im Klinikum in Meiningen. Als Privat-Dozent lehrt er auch an der Universitätsklinik in  Gießen. Seit 2008 ist er wieder in Bad Hersfeld tätig. Keymling ist verheiratet und hat zwei Töchter. (kai)

 pdf Artikel aus der HZ v. 23.07.2014

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