Vorsorge für das Herz ernster nehmen
Immer wieder hält Dr. Klaus Edel, der Ärztliche Direktor des Herz-Kreislauf-Zentrums (HKZ) am Klinikum Hersfeld-Rotenburg, Vorträge über das Thema Herzgesundheit und die Relevanz von Vorsorgeterminen. Einen solchen Vortrag hielt er im Winter 2022 vor einer Gruppe Polizisten aus dem Raum Kassel – darunter auch Ralf Dörigmann. Als dieser der Empfehlung nachkam, sich einmal durchchecken zu lassen, folgte die Überraschung: Seine linke Hauptader am Herzen war chronisch verschlossen, die Situation kritisch. „Ich wollte ihn nach der Vorsorgeuntersuchung nicht wieder nach Hause gehen lassen“, so Klaus Edel heute.
Ein Blick in die Krankenakte von Ralf Dörigmann gab Dr. Klaus Edel unmittelbar Hinweise auf eine kritische Herzerkrankung: Der heute 50-Jährige litt seit vielen Jahren unter schweren Rückenproblemen. „Teilweise waren die Schmerzen so schlimm, dass mir davon übel wurde“, so Dörigmann. Dazu hatte er in den vergangenen Jahren verschiedene Orthopäden aufgesucht, an Rückenschulungen und Physiotherapie teilgenommen. „Ich dachte natürlich auch, dass die Rückenprobleme allgemeiner Verschleiß sind, da ich teilweise auch wenig rückenstärkenden Sport neben meinem Beruf getrieben habe.“
Bei seinem Vorsorgetermin Ende Januar 2023 wurde Dörigmann einen Vormittag lang „auf Herz und Nieren geprüft“. Neben verschiedenen auffälligen Werten war besonders der sogenannte Troponin-T-Wert ausschlaggebend: Er zeigt an, ob Eiweiß aus den Herzmuskelzellen ins Blut freigesetzt wird, also ob eine Schädigung der Herzmuskulatur vorliegt. „Dieser Wert war bei Herrn Dörigmann massiv erhöht“, so Edel, der ergänzt, dass auch Hausärzte diesen Wert auf Anfrage ermitteln beziehungsweise Blutproben zur Untersuchung in ein Labor schicken könnten. Eventuell kämen die Kosten hierfür auf die Patienten zu: „Da der Troponin-T-Wert ein direkter Hinweis auf eine Schädigung des Herzens ist, ist er zur gezielten Prävention enorm wichtig.“ Kurzerhand bat Edel seinen Patienten zum Gespräch in sein Büro und klärte ihn über die ernste Situation auf. Dörigmann, der die nächsten Tage bereits fest verplant hatte, entschied sich dazu, nach dem Wochenende zu weiteren Untersuchungen und möglichen Eingriffen wiederzukommen. Für diese Zwischenzeit verschrieb Edel ihm Tabletten und empfahl ihm, bei den geringsten Symptomen umgehend einen Arzt aufzusuchen.
Vier Tage später wurde Ralf Dörigmann entsprechend im HKZ aufgenommen. „In den weiteren Untersuchungen hat sich gezeigt, dass seine linke Hauptader chronisch verschlossen war. Der Herzmuskel konnte nicht mehr richtig mit Blut versorgt werden“, erklärt Dr. Edel. Damit wurde eine Herzkatheteruntersuchung mit dem Versuch der Wiedereröffnung des verstopften Herzkranzgefäßes notwendig. Diesen umfangreichen Eingriff übernahm der Chefarzt für Interventionelle Kardiologie & Koronare Interventionen, PD Dr. med. Karsten Hamm. „Die Stents, die Dr. Hamm während der Operation einsetzte, musste er quasi durch die Hintertür eines Netzes aus Verästelungen einbringen. Hinzu kam, dass der Verschluss in der Hauptader sehr verhärtet war. Diese Präzisionsarbeit, die PD Dr. Hamm hier gezeigt hat, können in Deutschland nur eine Handvoll Kardiologen leisten. Da schätzen wir uns mit ihm mehr als glücklich“, betont Dr. Edel. Unmittelbar nach Einbringen der Stents wird der Muskel wieder gut durchblutet. Das, so Dr. Edel weiter, ist ein weiterer kritischer Zeitpunkt, da es durch die zurückgewonnene gute Durchblutung zu Herzrhythmusstörungen kommen kann. Daher werden die Patienten in den ersten 24 Stunden nach dem Eingriff streng überwacht: „Bei Herrn Dörigmann lief alles glatt, sodass er bereits wenige Tage nach dem Eingriff das HKZ wieder verlassen konnte.“
Die Reha trat der 50-Jährige rund vier Wochen später ebenfalls im HKZ an. „Das hatten wir bei meiner Entlassung direkt so vereinbart. Ich habe mich hier so sicher aufgehoben gefühlt, dass ich auch die Reha gerne hier machen wollte“, so Dörigmann mit einem Lächeln. Die Zeit im HKZ habe ihm tatsächlich „Spaß“ gemacht: So hat er in einem Mitpatienten einen Freund gefunden, mit dem er gemeinsam viel unternommen hat. „Wir haben uns gegenseitig gepusht und sind immer gemeinsam laufen oder in den Kraftraum gegangen. Gleich zu Beginn haben wir die Vereinbarung getroffen, dass der Fahrstuhl für uns Tabu ist und wir die Treppe benutzen“, berichtet er weiter. Hinzu kamen in dieser Zeit Lehrgänge zu gesundem Essen für Herzpatienten und auch Gespräche über das Erlebte.
Die Rückenschmerzen sind heute Geschichte und Dörigmann in Form einer Wiedereingliederung zurück in seinem Job als Dienstgruppenleiter. „Ich wollte gerne direkt wiederkommen und habe mich auf die Arbeit und die Kollegen gefreut“, berichtet er.
Heute nehme er sich bewusst mehr Zeit für die Übungen, die er während der Reha gelernt hat, esse gesünder und habe eine andere Einstellung zum Leben: „Ich denke heute noch oft an die Zeit im HKZ, gerade abends oder nachts. Ich bin mir schon sehr bewusst, wie ernst diese Situation für mich war – und es ist ein neues Lebensgefühl, nicht mehr von diesen massiven Rückenschmerzen geplagt zu sein.“
Diese Rückenbeschwerden nennt sein behandelnder Arzt Klaus Edel als eines von insgesamt 64 verschiedenen Symptomen, über die Herzerkrankungen sich äußern können. „Besonders Rückenschmerzen, die mit Schweißausbrüchen, Übelkeit und Belastungseinschränkungen einhergehen, sind Hinweise darauf. Auch anhaltende Zahnschmerzen können ein Warnsignal des Herzens sein, erklärt Dr. Edel. Im Fall von Ralf Dörigmann geht er als Ursache der Verstopfung des Herzkranzgefäßes von einer genetischen Vorbelastung zusammen mit einem stressigen Beruf und wenig gesundem Lebensstil aus. Wann genau sich die Verstopfung ereignet habe, darüber könne er nur mutmaßen: „Das kann gut ein bis zwei Jahre her sein. Das Blutgerinnungssystem des Körpers arbeitet daran, solche Verschlüsse immer wieder selbst zu öffnen, scheitert aber irgendwann.“ Damit eine solche Engstelle oder gar ein Verschluss sich zukünftig nicht wieder bildet, hat Dörigmann seinen Lebensstil umgestellt und erhält herzwirksame Medikamente. (Quelle: HZ v. 12.08.2023)