Wenn die Gelenke schmerzen

Wenn Gelenke anschwellen, schmerzen und vor allem morgens steif, sprich: unbeweglich sind, könnte Rheuma beziehungsweise rheumatoide Arthritis dahinterstecken. Davon betroffen sind übrigens nicht nur ältere Menschen, wie oft angenommen wird; auch im Kindesalter können solche Gelenkentzündungen auftreten. Wir haben mit dem Kinderrheumatologen Dr. med. Peter Wasiliew, der als Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum in Bad Hersfeld tätig ist, über das Thema gesprochen.

Rheumatoide Arthritis, was ist das überhaupt?
Der Begriff Rheuma kommt aus dem Griechischen und bedeutet in Verbform so viel wie strömen oder fließen. Rheumatische Erkrankungen gehen oft mit fließenden, reißenden oder ziehenden Schmerzen und funktionellen Einschränkungen des Bewegungsapparates einher. Das Wort Arthritis kommt ebenfalls aus dem Griechischen. Arthron ist das Gelenk oder Glied, die Endung „itis“ deutet auf eine Entzündung hin. „Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Systemerkrankung, die zu Gelenkdestruktionen bis hin zu Invalidität führen kann“, erklärt Dr. Peter Wasiliew. Die rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem körpereigenes Gewebe wie Gelenkknorpel oder Bindegewebe angreift. Bei unter 16-Jährigen spricht man laut Wasiliew von juveniler idiopathischer beziehungsweise chronischer Arthritis. Nicht zu verwechseln ist die rheumatoide Arthritis übrigens mit Arthrose als Gelenkverschleiß oder -abnutzung. Sie kann auch als Folge von rheumatoider Arthritis auftreten.

Welche Symptome weisen darauf hin?
Typische Symptome sind schmerzhafte Schwellungen von Gelenken, die mit Überwärmung und Bewegungseinschränkung einhergehen. Oft treten die Beschwerden nachts, insbesondere nach Belastung auf. Morgens beklagen die Patienten eine Steifigkeit der Gelenke. Oft handelt es sich um einen symmetrischen Befall der großen und kleinen Gelenke. Gerade im Kindesalter sind auch nur einzelne Gelenke auf einer Seite betroffen. Prinzipiell kann laut Dr. Wasiliew jedes Gelenk betroffen sein. Die rheumatoide Arthritis kann plötzlich oder auch schleichend auftreten, und das in jedem Lebensalter. Wobei Frauen laut des Berufsverbands Deutscher Internisten häufiger betroffen sind als Männer und diese öfter in späterem Lebensalter erkranken, nämlich zwischen 65 und 75 Jahren.

Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Da es laut Dr. Peter Wasiliew keinen alleinigen beweisenden Wert gibt, setzt sich die Diagnose aus mehreren „Puzzleteilen“ zusammen: Der Krankengeschichte, Bluttests und bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgen oder MRT. Für den Arzt ist es unter anderem wichtig zu wissen, ob es in der Familie des Betroffenen bereits Fälle von rheumatoider Arthritis oder anderen Rheumaformen gibt. Im Blut lassen sich verschiedene Hinweise finden, wobei eben jeder Wert für sich noch keine eindeutige Diagnose erlaubt. „Ein sogenannter negativer Rheumafaktor etwa heißt andererseits auch nicht, dass eine rheumatoide Arthritis ausgeschlossen werden kann“, verdeutlicht Dr. Wasiliew. Hinweise geben beispielsweise Antikörper gegen citrullinierte Peptide, kurz: ACPA. Diese Eiweiße kommen häufig bei Patienten mit rheumatoider Arthritis vor. Da in Folge einer rheumatischen Arthritis mitunter auch Organe angegriffen werden, können darüber hinaus zum Beispiel auch verdächtige Leber- oder Nierenwerte das „Diagnose-Puzzle“ vervollständigen. Erster Ansprechpartner ist in der Regel der Kinder- oder Hausarzt. Bei Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung sollte jedoch, wenn möglich, ein (Kinder-) Rheumatologe als Spezialist aufgesucht werden.

Welche Ursachen liegen der Erkrankung zugrunde?
Welche Ursachen der rheumatoiden Arthritis zugrunde liegen, ist in der Medizin bisher nicht abschließend geklärt. Es wird eine genetische Veranlagung angenommen, sagt auch Dr. Wasiliew. Eine entscheidende Rolle bei der Autoimmunerkrankung spielt das Immunsystem, das in diesem Fall fälschlicherweise bestimmte körpereigene Strukturen als fremd ansieht.

Welche Folgen drohen bei rheumatoider Arhtritis?
Mit der Zeit werden Knorpel, Knochen und Bänder in den Gelenken zerstört, der Bewegungsablauf ist gestört. Mitunter fällt es Betroffenen schwer, einfache Handgriffe auszuführen. Im Langzeitverlauf können äußerlich sichtbare knöcherne Deformierungen auftreten. Im Rahmen der rheumatoiden Arthritis können aber auch andere Organe im Körper befallen sein, zum Beispiel Niere, Leber, Lunge oder auch das Herz- Kreislaufsystem. Nicht selten findet sich speziell bei Kindern laut Dr. Wasiliew eine entzündliche Mitbeteiligung der Augen.

Wie kann rheumatoide Arthritis behandelt werden?
Rheumatoide Arthritis ist nicht heilbar, sie kann mit entsprechender Behandlung aber eingedämmt werden. Je früher sie erkannt und behandelt wird, desto besser, um die Gelenkzerstörung zu verhindern, so Dr. Wasiliew mit Blick auf die Einschränkung der Lebensqualität. Die Therapie richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und sollte individuell angepasst werden. Grundsätzlich setzt sich die Therapie laut Dr. Wasiliew aus der Behandlung mit schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten, Krankengymnastik und physikalischen Maßnahmen zusammen. Bei akuten Schüben wird auch Kortison eingesetzt, das sich wegen der Nebenwirkungen aber nicht für eine dauerhafte Behandlung eignet. Eine neue Ära in der Therapie von rheumatoider Arthritis eingeläutet haben laut Internisten-Verband die sogenannten Biologika, gentechnisch hergestellte Abwehrstoffe, die laut Dr. Wasiliew auch in der Kinderrheumatologie eine sehr wichtige Therapieoption darstellen. Gut tun bei akuten Entzündungen kann Kälte, Wärme bei chronischen Entzündungsprozessen. Bereits deformierte Gelenke können operativ korrigiert werden. Generell schlecht sind Rauchen und mit Blick auf die Belastung der Gelenke auch Übergewicht. Da ein Vitamin-D-Mangel Autoimmunerkrankungen begünstigt, ist laut Dr. Wasiliew auch die ausreichende Versorgung mit Vitamin D wichtig. Der Körper produziert dieses mit Hilfe von Sonnenlicht selbst, in Lebensmitteln kommt es nur begrenzt vor, zum Beispiel in Lachs.

ZUR PERSON
Dr. med. Peter Wasiliew ist 1984 in Frankfurt geboren worden und in Büdingen aufgewachsen. Er hat an der Justus-Liebig-Universität in Gießen Humanmedizin studiert und seine Facharztausbildung von 2011 bis 2016 in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum in Bad Hersfeld absolviert. Nachdem er Ende 2018 in Gießen eine 18-monatige Zusatzweiterbildung auf dem Gebiet der Kinderrheumatologie abgeschlossen hat, ist er seit Anfang 2019 als Oberarzt in der Kinderklinik Bad Hersfeld tätig. Er lebt in Bad Hersfeld und verbringt seine Freizeit mit Badminton spielen und Musizieren. (Foto,Text: Nadine Maaz)

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 23.10.2019