Wir müssen unsere Kräfte bündeln
Die hohen Defizite der vergangenen Jahre zwingen den Klinikverbund Hersfeld-Rotenburg dazu, sich schnell neu aufzustellen. Kräfte und Expertise sollen gebündelt, Synergien gehoben werden. Ein Gutachten der auf das Gesundheitswesen spezialisierten Prüfungsgesellschaft Curacon zeigt, wie der kommunale Verbund in Zukunft aussehen soll, um weiter bestehen zu können. Die Mitarbeiterschaft wurde bereits informiert.
Zunächst hätten die Prüfer die Ursachen ermittelt, die zu der laut Geschäftsführung „momentan äußerst schwierigen Situation“ geführt haben. An erster Stelle sei bei den externen Gründen der Rückgang der Patientenzahlen zu nennen, verbunden mit dem Rückgang der Schwere der Fälle. Dies habe zu erheblichen Einnahmeverlusten geführt.
Hinzu kämen schwierige politische Rahmenbedingungen durch Bund und Land wie etwa Mindestpersonalgrenzen oder neue bauliche Vorgaben, ein erheblicher Investitionsstau und der seit Jahren bundesweit alle Kliniken betreffende Mangel an Fachkräften.
Aber auch interne Ursachen hätten dazu geführt, dass der Verbund in „schweres Wasser“ geraten ist. Doppelvorhaltungen, die zum Teil unvorteilhafte Größe von Fachabteilungen, ineffektiver Personaleinsatz und der hohe Sanierungsbedarf seien Gründe für die Defizite.
Konkrete Zahlen belegen, wie brisant die Lage derzeit ist: In 2017 betrugen die Verluste 4,6 Millionen Euro, in 2018 waren es 7,6 Millionen und im vergangenen Jahr bereits 13,2 Millionen Euro.
Angesichts dieser Situation seien die Prüfer zu dem Schluss gekommen, dass eine Genesung durch weitere Einsparungen allein nicht möglich sein werde. Kaufmännischer Geschäftsführer Rolf Weigel: „Ein ‚Weiter so‘ wie bisher kann und darf es nicht geben, wir müssen unsere Kräfte bündeln – und das schnell.“
Die Gutachter – das endgültige detaillierte Konzeptpapier wird in drei Wochen erwartet - empfehlen laut Geschäftsleitung eine Konzentration im Bereich der Akutmedizin. Hier sollen im Verlauf der kommenden drei Jahre medizinisch-technische Doppelvorhaltungen abgebaut, stationäre Angebote in Ambulante überführt sowie zu kleine Versorgungsstrukturen gebündelt werden. Ein Ausbau der ambulanten Medizin soll eine weitere Säule des Unternehmens sein.
In den patientenfernen Bereichen soll ebenfalls eine Konzentration der Leistungen erfolgen. Auch hier müssten Synergien gehoben und damit die Effektivität gesteigert werden. Bereits bewilligte Fördermittel sollen gebündelt werden. Geplant sei auch der Bau eines neues Funktionstraktes in Bad Hersfeld, der höchsten Ansprüchen gerecht werde und eine Versorgung der Patienten auf dem neuesten Stand erlaube.
Der medizinische Geschäftsführer Dr. Tobias Hermann: „Unsere klaren Ziele müssen sein:
- Der Erhalt einer guten medizinischen Versorgung der Region
- Das Bündeln medizinischer Expertise, besonders im Bereich Kardiologie
- Das langfristige Garantieren einer zeitgemäßen, modernen Versorgung
- Den Erhalt eines möglichst breiten medizinischen Spektrums
- Den Erhalt der kommunalen Trägerschaft in Händen des Landkreises
- Zuverlässiger Arbeitgeber zu sein und Ausbildungsbetrieb der Region zu bleiben
- Investitionen zu bündeln um beste Medizin, Technik und Versorgung anbieten zu können.“
Die Geschäftsführung, so Hermann, hoffe auf möglichst breite Unterstützung, um das Klinikum in kommunaler Trägerschaft halten zu können. Rolf Weigel: „ Wir wissen, dass es schmerzhafte Einschnitte geben wird. Uns ist auch klar, dass eine breite Diskussion natürlich nicht ausbleiben wird. Aber nur durch eine gründliche und zugleich schnelle Neustrukturierung können wir weiterhin eine wohnortnahe gute medizinische Versorgung gewährleisten.“
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des kommunalen Klinikverbundes seien in den vergangenen Tagen bereits von der Geschäftsleitung über die Pläne informiert worden. Auch werden die Mitarbeitervertretungen des Unternehmens eng in den Prozess eingebunden. Angesichts der großen Zahl von Mitarbeitern und den immer noch geltenden Abstands- und Hygieneregeln sei das nicht in allen Fällen persönlich möglich gewesen, so dass auch über die hauseigene App, Intranet und Rundschreiben informiert wurde. Dr. Tobias Hermann: „Die geplanten Maßnahmen sind durchaus auf Verständnis gestoßen, denn die Mitarbeiterschaft hat nach unserem Eindruck den Ernst der Lage erkannt.“
Der kommunale Klinikverbund Hersfeld-Rotenburg beschäftigt rund 3100 Mitarbeiter. Von ihnen werden pro Jahr 40.000 Patienten stationär und 120.000 ambulant versorgt. Zu dem kreiseigenen Verbund gehören das Klinikum Bad Hersfeld, das HKZ Rotenburg, die Klinik Am Hainberg und die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) am Klinikum, Frankfurter Straße, Orthopädie, Bebra und das MVZ am Herz- und Kreislaufzentrum.
Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 05.08.2020
Hier finden Sie den Bericht aus Osthessen News vom 06.08.2020